Menschen

Warum müssen Kinder für das Ego der Eltern trainieren?

Kind mit einem Fußball in einer dunklen Sporthalle

Sicherlich kennt Ihr die armen Schweine, pardon Kinder, die vom wohlmeinenden Elternteil nicht nur zum Training gebracht, sondern dort auch gecoacht, überwacht und mit der mentalen Peitsche zu Höchstleistungen angetrieben werden. Zu Hause folgen dann die obligatorische Auswertung und der Hinweis, dass man das Alles doch nur für das Wohl des Kleinen macht. Schließlich hatte man damals selbst nicht die Möglichkeiten und Papi will doch nur das Beste. Comedian Rüdiger Hoffmann würde sinngemäß anmerken: „Kann man so sagen, muss man aber nicht“...

Einer wird´s schon richten

Mir drängt sich bei diesen Verhaltensweisen eher der Gedanke auf, dass Supervaters Ego leider einen kleinen Knacks hat und der Junior dies nun wieder aufpolieren soll. Damals hat man´s nicht geschafft, nun muss der Nachwuchs ran und zeigen, was Erfolg bedeutet. Was sollen denn die Nachbarn sagen, wenn der Rasen nicht gemäht ist und der eigene Sohn nun auch noch im Mittelmaß versinkt. Undenkbar! Ob es ihm Spaß macht? Also bitte! Ohne Fleiß kein Preis. Wir leben doch nicht in einer Spaßgesellschaft. Mit dieser rhetorischen Keule wird der Sprössling pädagogisch wertvoll abgefertigt und das Gewissen, falls vorhanden, beruhigt.

Zwang währt nicht lang

Ich habe in meinem Leben viele dieser Kinder kennen gelernt. Und bedauert. Viele hätten gerne in anderen Sportarten ihr Glück versucht oder sich anderweitig betätigt. Aber das war nicht drin. General Vater und Oberfeldwebel Mutter brauchten leider Jemanden, der ihre unerfüllten Sehnsüchte nach Ruhm und Anerkennung befriedigen sollte. Jemanden, durch den sie leben und glänzen konnten. Geklappt hat es trotzdem nicht. Mit 18 kam der Stinkefinger und dann flog der Fußball in die Ecke und die Jugend wurde im Eiltempo nachgeholt. Mit Zigaretten, Alkohol und was es sonst noch an ungesunden Genüssen gibt. Von den sportlichen Ambitionen blieben nur die Medaillen in der Schublade und ein gestörtes Verhältnis zu den Eltern zurück. Sowas nennt man dann wohl Eigentor.

Versteht mich nicht falsch. Eltern sollten ihre Kinder fördern und zur Disziplin ermahnen. Aber auch mal hinterfragen, wer wirklich hinter den sportlichen Ambitionen steht. Seinem Kind die Jugend zu stehlen, nur um das eigene Ego zu befriedigen, ist für mich eine verharmloste Form der Zwangsprostitution. Oder des Identitätsdiebstahls. Sucht es euch aus.

Text: Stefan Mothes | Foto: Unsplash

29. November 2022

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