Recht auf zwei Rädern

Vor allem unter Rennradfahrern ist das Konfliktpotential auf deutschen Straßen bekannt. Kaum eine Trainingstour vergeht, ohne dass Autofahrer den Sicherheitsabstand zum Radfahrer unterschätzen, einen ausbremsen oder verbal „verkehrserzieherische“ Maßnahmen ergreifen. Da gerade Rennräder zahlreiche Besonderheiten aufweisen, die offenbar Ursache und Folge für das Unverständnis anderer Verkehrsteilnehmer sind, soll zum einen geklärt werden, welche Rechte und Pflichten des Rennradfahrers im Straßenverkehr bestehen und zum anderen ein gewisses Verständnis für die Situation der (Renn-)Radfahrer als Verkehrsteilnehmer geweckt werden.
Das Rennrad wurde als Sportgerät konzipiert, wiegt mittlerweile nur noch 6 bis 8 kg und besitzt äußerst schmale Reifen. Der Rennradfahrer ist über Klickpedale fest mit dem Pedal verbunden und ein Lösen dieser Verbindung ist nur über einen besonderen Bewegungsmechanismus möglich. Im Triathlonbereich werden aus aerodynamischen Gründen Lenkeraufsätze verwendet, auf denen der Fahrer mit den Unterarmen auf dem Lenker aufliegt und lediglich die Schaltgriffe mit den Händen erreicht. Zum Bremsen bedarf es hier eines Umgreifens zum Lenker. Mit Rennrädern können auf flacher Strecke ohne Weiteres Geschwindigkeiten von 30 bis 50 km/h, bergab sogar bis zu 100 km/h erreicht werden. Alle diese Besonderheiten des Rennrades erfordern Ausnahmen, obgleich auch ein Rennrad wie jedes andere Fahrrad den verkehrsrechtlichen Vorschriften unterliegt.
In der Praxis werden Rennradfahrer von Autofahrern meist auf den Radweg verwiesen. Grundsätzlich besteht für Fahrräder gemäß StVO auch eine Radwegbenutzungspflicht, soweit eine Kennzeichnung des Radweges durch Beschilderung erfolgt. Aber es bestehen Ausnahmen. Die Benutzung des Radweges ist oft nicht möglich und sogar gefährlich. Die schmalen Rennradreifen sind sehr pannenanfällig, die Radwege oft mit Sand, Glasscherben oder Ästen verschmutzt und oder in einem sehr schlechten Zustand. Dadurch ergibt sich eine erhöhte Sturzgefahr. Soweit eine Anordnung der Benutzungspflicht per Verkehrszeichen getroffen ist, wirkt sich diese Anordnung grundsätzlich nur dann als Benutzungsverbot für die daneben verlaufende Straße aus, wenn der Radweg dieser Straße baulich und straßenverkehrsrechtlich zuzuordnen ist. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Radwegbenutzungspflicht dann nicht gilt, wenn Eis und Schnee oder andere Hindernisse das Befahren des Radweges unmöglich machen oder unzumutbar erscheinen lassen, wobei der Wille zur ungehinderten Trainingsmöglichkeit in Form der Erzielung hoher Geschwindigkeiten keine Unzumutbarkeit in diesem Sinne begründen kann.
Bundesverwaltungsgericht stärkt Rechte der Radfahrer
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stärkte kürzlich die Rechte der Radfahrer, wonach eine Radbenutzungspflicht nur angeordnet werden darf, „wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt“. Es treffe nicht zu, dass Radfahrer stets auf den Radweg zu verweisen seien, sofern ein solcher vorhanden ist. Damit gab das Gericht einer Klage des Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs statt, der gegen die durch das Verkehrsschild 237 (Schild mit blauem Untergrund, weißem Rand und weißem Fahrrad) auferlegte Radwegbenutzungspflicht vorging. In einem Triathlonwettkampf oder während eines Radrennens stellt sich so mancher Athlet zudem die Frage, ob man z.B. den Gegner bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h ziehen lassen muss oder ob ein Geschwindigkeitsverstoß im Sinne der Platzierung zu riskieren ist. Zu dieser Frage hat das OLG Hamm bereits 1999 klar und deutlich Stellung genommen: „Während eines Radrennens, das in der Form eines Einzelzeitfahrens ausgetragen wird, gilt für die Radrennfahrer nicht die im Rennstreckenbereich für den allgemeinen Straßenverkehr vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung.“ Geschwindigkeitsbeschränkungen, zumal auf 30 km/h, seien mit Sinn und Zweck des durchgeführten sportlichen Wettkampfs nicht zu vereinbaren. Es liege auf der Hand, dass die Einhaltung einer Geschwindigkeitsbeschränkung bei einem Einzelzeitfahren zu nachhaltigen Wettbewerbsverzerrungen führen müsse. Diese laufen dem Sinn des sportlichen Wettkampfs zuwider.
Klingel und Dynamo am Rennrad?
Auch die Frage der Ausrüstung beschäftigt den Rennradfahrer, der sein hochwertiges Rad nicht mit Klingel und Dynamo ausstattet, wohl aber weiß, dass er bei Dunkelheit im Verkehr wahrgenommen werden muss. Eine Ausnahme bzgl. der Klingel gibt es nicht, so dass ordnungswidrig handelt, wer keine Klingel am Fahrrad hat. Allerdings macht die Polizei von einer Ahndung dieses Verstoßes offenbar nur restriktiv Gebrauch. Von Bedeutung kann das Fehlen einer Klingel für die Bewertung der Haftungsverteilung sein, wenn der Radfahrer nicht klingeln konnte und es deshalb zum Unfall kam. Bezüglich der Beleuchtung hat die StVZO für Rennräder Ausnahmen zugelassen, wobei dem Wortlaut Rennräder gemeint sind, deren Gewicht nicht mehr als 11 kg beträgt. Für Rennräder gilt daher, dass eine batteriebetriebene Beleuchtung ausreichend ist, welche lediglich mitzuführen und bei Tageslicht nicht fest montiert sein muss. Eine Helmpflicht existiert noch nicht. Allerdings wird das Nichttragen von Radhelmen sportlicher ambitionierter Fahrer zunehmend als Obliegenheitsverletzung betrachtet. Deshalb gilt zur Vermeidung von Haftungsnachteilen der Rat, zumindest auf dem Rennrad einen Helm zu tragen.
Über den Autor
Roman Sommer ist Rechtsanwalt und Sozius der Kanzlei rls-Rechtsanwälte in Dresden und Bautzen und u.a. auf dem Gebiet des Sportrechts tätig. Der gebürtige Bautzner ist neben seiner anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit selbst noch aktiver Triathlet beim BLV Rot-Weiss 90 Bautzen.
15. Dezember 2013