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Zu schwul für die Kreisliga? Homosexualität im Sport

Dusche

Homosexualität & Toleranz im Sport? Ist unsere Gesellschaft nicht schon homo-tolerant genug? Haben wir einen Alfred Biolek und einen Bruce Darnell oder haben wir sie nicht? Auch unsere Daily-Soaps erinnern uns täglich zur besten Sendezeit daran, dass lesbisch und schwul sein ganz normal und Teil unserer Gesellschaft ist. Was bitte schön, sollte also im Sport anders sein? Eine ganze Menge. Angeregt durch das Buch "Versteckspieler", haben wir uns näher mit diesem Thema beschäftigt. Wer nun meint, dass ein Heterosexueller nicht über Homosexualität schreiben kann, der denkt wahrscheinlich auch, dass jeder gute Krimiautor ein Mörder sein muss, um authentisch zu schreiben.

Wie steht es also mit der Toleranz gegenüber Homosexualität im Sport? Sollte Sport wirklich der Spiegel der Gesellschaft sein, so müsste es auch in diesem Bereich keine Unterschiede zu anderen Lebensbereich unserer Gesellschaft geben. Recherchiert man ein wenig nach homosexuellen Personen im öffentlichen Leben, findet man unzählige Politiker, Schauspieler, Musiker, Künstler, Comedians, Moderatoren, aber nur eine Hand voll Sportler? Wo bleibt hier das große Coming-Out? Wovor haben homosexuelle Sportler(-innen) Angst?

Zu schwul für die Fußball-Kreisliga?

Einer, der uns bei dieser Frage mit seinen Erfahrungen helfen kann, ist Martin (Name geändert), 25, Mediengestalter. Martin lebt mittlerweile seit zwei Jahren in Dresden und empfindet seine Stadt als durchaus tolerant. Martin steht mittlerweile offen zu seiner Homosexualität, allerdings nicht in einem solchen Maße, dass er sie jedem auf die Nase bindet bzw. bewusst provoziert. In seinem Bekanntenkreis ist er akzeptiert und fühlt sich wohl. Dabei besteht sein Freundeskreis nicht klischeehaft aus Frauen und Gleichgesinnten, sondern ist bunt gemischt, also auch aus heterosexuellen Männern und Frauen. Damit ist Martin deutlich besser dran, als unzählige Homosexuelle, die sich aus Angst vor Ablehnung verstellen und ihre sexuelle Ausrichtung gezielt verbergen. Wie das ist, weiß der 25-jährige aus seiner Jugendzeit, aber auch aus dem Sport. Hier nämlich verbirgt er mittlerweile sein Schwulsein, obwohl er sonst mit seiner sexuellen Orientierung kein Problem hat.

„Als ich neu nach Dresden kam und mich sportlich betätigen wollte, war ich erstmal etwas verunsichert, wie ich mich verhalten sollte. Hatte ich doch schon vorher Probleme. Beim Eishockeyspielen in meiner Jugend musste ich mir aufgrund mangelnder Härte anhören, dass ich „wie ein Mädchen“ spiele und als beim Fußball herauskam, dass ich schwul bin, damals war ich 18 Jahre, legte mir unser Trainer ans Herz, lieber den Verein zu wechseln, da ich Unruhe in die Mannschaft bringen würde.“ Seine damalige Enttäuschung schlug schnell in Wut um.

„Wenn ich für einen Dorffußballverein nicht gut genug bin, dann könnt ihr mich alle mal. Scheiß Macho-Sport! Also spielte ich Tischtennis und dies mit Erfolg. Hier interessierte es die Anderen wenig, ob ich schwul bin. Bedingt durch das häufige Training und berufsbedingte Belastungen (Sehnenscheidenentzündung) hörte ich mit 24 erst mal mit dem Tischtennis auf, da ich zu dieser Zeit auch umzog. In Dresden wollte ich jedoch wieder etwas mehr tun und ging regelmäßig laufen und dann zum Fitnesstraining.“

Wer bückt sich heute nach der Seife

„Damals suchte ich mir bewusst ein Fitness-Studio aus, von dem ich annahm, dass dort nicht nur testosteronüberladene Bodybuilder mit einem gestörten Männlichkeitsbewusstsein trainieren. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dass ich mich beliebt mache, wenn ich mich als Homosexueller oute. Dafür hörte ich einfach zu viele schwulenfeindliche Machosprüche und Witze. Irgendjemand kommt immer auf den originellen Einfall zu fragen, wer sich heute unter der Dusche nach der Seife bückt. Ich bin mir zu 100% sicher, dass sich kein Mann in der Sauna neben mich setzen würde, wenn er wüsste, dass ich schwul bin. Denken Heterosexuelle wirklich, dass wir Schwulen ständig auf Männerjagd sind und jeden Mann begrapschen müssen? Das ist doch schon zwanghaft. Traurig, wenn dabei Schwulsein auch immer mit Schwachsein verbunden wird. Anscheinend ist es immer noch so, dass bei uns das Vorurteil herrscht, Homosexuelle seien unfähig zu kämpfen und sportliche Leistungen zu erbringen. Das liegt sicher auch daran, dass sich nicht genügend homosexuelle Profisportler zu ihrer Orientierung bekennen, so dass viel zu wenig Schwule bzw. Lesben mit Höchstleistungen in Verbindung gebracht werden.“

Wer hat Angst vorm schwulen Mann?

Fragt man unter Heterosexuellen mal ganz nebenbei nach, wo denn ihr Problem mit schwulen Sportlern ist, so kommt an erster Stelle die Angst, irgendwie „angemacht“ zu werden bzw. die Unsicherheit, mit der betroffenen Person vielleicht sogar allein im Raum zu sein. Da die Anschuldigung, schwul zu sein, unter männlichen (heterosexuellen) Jugendlichen immer noch sehr stark als Angriff wirkt, ist es oft gar nicht die Angst vor dem Schwulen selber, sondern die Angst davor, was denn die Kumpels sagen würden, wenn man mit schwulen Mitmenschen tolerant und „normal“ umgehen würde. Womöglich könnte man ja in den Verdacht kommen, selber schwul zu sein und diese Angst sitzt bei vielen Jugendlichen sehr tief. So ist eben Sport nur was für „richtige Kerle“ und es fällt leichter, schwule Sportler zu diskriminieren, als sie zu akzeptieren.

Schwul-lesbische Sportvereine: Rettungsanker oder Ausgrenzungssymbol?

Mittlerweile gibt es eine steigende Anzahl von schwul-lesbischen Sportvereinen, aber auch Fanclubs. Dort können homosexuelle Sportler(innen) frei von Diskriminierungen und unter Gleichgesinnten ihren sportlichen Aktivitäten nachgehen. Allerdings tragen Vereinsnamen wie Bonner Hupfdohlen, Rosa Löwen und Warminia Anstoss ohne Zweifel dazu bei, Klischees noch zu verstärken. Zweideutige Vereinsnamen wie Vorspiel Berlin mögen vielleicht originell sein, tragen aber sicherlich nicht zum Abbau von Vorurteilen bei. So sehr man diese Vereins-Initiativen begrüßen sollte, drängt sich doch der Gedanke an weitere Ausgrenzung auf, wenn homosexuelle Sportler(innen) nur noch in „speziellen“ Vereinen trainieren können. Hier sollte die Sportszene sich schnell von einem menschenfeindlichen, intoleranten Gedankengut trennen, genauso wie sie sich in der Vergangenheit von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus distanziert hat.

25. Juni 2019

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