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Prellbock oder Big Boss? Schiedsrichter im Wettkampfalltag

Schiedsrichter

Ultimate Frisbee ist wahrscheinlich die einzige Sportart, bei der es keinen Schiedsrichter gibt. In allen anderen Sportarten bedarf es einer neutralen Person, um das oftmals komplexe Regelwerk im Wettkampfbetrieb zur Anwendung zu bringen. Dies ist zwar im Sinne der Durchsetzung eines sportlich-fairen Vergleichs, aber nicht alle Entscheidungen treffen auch bei den Protagonisten, also den Sportlern selbst, auf Gegenliebe. So kann aus dem Schiedsrichter schnell der Prellbock werden, vor allem wenn dessen Entscheidungen das Spielergebnis maßgeblich beeinflussen.

Wir haben sieben Schiedsrichter aus den verschiedensten Sportarten über ihr Handwerk, ihren Sport und den oftmals harten Alltag befragt. Frustration konnte man von keiner Seite heraushören, allerdings war auch zu keiner Zeit von einem einfachen Job die Rede, den man mal so nebenbei machen kann.

Ein emotionales Spiel, wo schon mal der Kessel pfeifen kann

Daniel Hedwig

Daniel Hedwig, Eishockey

Da ich ursprünglich aus Weißwasser stamme, war es im Grunde genommen vorbestimmt, dass auch ich zum Eishockey komme. Fußballspielen kann jeder, Eishockey nicht. Man muss es lernen, von klein auf. Eishockey ist ein unglaublich intensives Spiel. Was mich an Eishockey nach wie vor fasziniert, ist die Geschwindigkeit, die Schnelligkeit, nicht umsonst ist Eishockey die schnellste Mannschaftssportart der Welt. Die Gewandtheit, Reaktionsschnelligkeit, Leidenschaft, Emotionen einfach alles an diesem Sport. Man ist immer mittendrin, im Teil des Spiels, so auch als Referee. Als Eishockey-Schiri solltest du natürlich gut auf den Kufen unterwegs sein, aber auch eine gewisse charakterliche Grundfestigung sollte vorhanden sein, das dicke Fell kommt von allein. Begonnen wird auf Ebene des Landesverbandes. Es gibt einen dreitägigen Hauptlehrgang im Sommer. Da werden Regelkunde, Regeltest und Fitnesstest absolviert. Im Dezember gibt es nochmal einen Zwischenlehrgang, wo die Geschehnisse der aktuellen Saison besprochen werden und ein Regeltest absolviert wird. Wenn man denn gut genug ist, geht der Weg im Bereich des DEB weiter. Jeder Schiedsrichter muss seine Lizenz jedes Jahr aufs Neue absolvieren.

Auf dem Eis bin ich voll konzentriert, allerdings können auch mir Fehler unterlaufen. Schließlich sind wir auch nur Menschen, die dazu noch ganz normal im Berufsleben stehen und sich Freitag nach der Arbeit ins Auto setzten und hunderte Kilometer fahren, um dann ein Spiel zu leiten, bei dem nicht nur der Körper, sondern auch der Kopf fit sein muss. Nach dem Spiel, meist gegen 23 Uhr, geht es wieder Richtung Heimat, Ankunft irgendwann zwischen 1 und 4 Uhr, je nach Wetter und Entfernung. Montags geht´s wieder früh raus, wie bei vielen anderen. Dafür muss man schon Enthusiast sein. Das sehen die meisten Fans natürlich nicht, die sehen uns nur 60 Minuten netto. Bei zweifelhaften Entscheidungen, muss man daher Stärke zeigen, aber eigene Fehler auch zugeben. Es kann zwar keine Strafe zurück genommen werden, aber die Spieler akzeptieren und verstehen das in der Regel auch. Schließlich ist Eishockey ein sehr schnelles Spiel, bei dem im Bruchteil einer Sekunde entschieden werden muss. Bisher hat mir niemand den Kopf abgerissen.

Beim Eishockey kommt natürlich immer das Thema der Prügeleien auf dem Eis zur Sprache. Das ist immer noch ein Klischee, welches in den Köpfen der Nicht-Eishockeyfreunde noch vorherrscht. So extrem ist es aber nicht. Eishockey ist ein mit viel Emotionen geführtes Spiel, wo schon mal der Kessel pfeifen kann. Aufgrund der Intensität und Schnelligkeit sehen gewisse Aktionen oft sehr spektakulär aus, aber nicht alles ist immer ein Foul. Das Spiel hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt, es ist schneller und technischer geworden. Trotzdem will jeder gewinnen. Legal und manchmal auch illegal. Wir Schiedsrichter müssen dafür Sorge tragen, dass das in einem ordentlichen Rahmen geschieht. Dies ist nicht immer einfach, aber oft ein wahnsinniges Erlebnis. Wenn ich an mein erstes Derby zwischen den Dresdner Eislöwen und Lausitzer Füchsen denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut.

Zur Person: Daniel Hedwig ist 38 Jahre alt und als selbständiger Kaufmann beruflich tätig. Seit dem sechsten Lebensjahr ist Hedwig mit dem Eissport verbunden und seit zehn Jahren als Eishockeyschiedsrichter beim ESC Dresden aktiv.

Das Regelwerk ist sehr komplex, man käme mit nur drei Refs nie und nimmer aus

Thomas Aust, American Football

Thomas Aust, American Football

In meiner Bundeswehrzeit 1995 hatte ich zum ersten Mal einen persönlichen Bezug zum American Football. Ein Kamerad und guter Freund des heutigen Geschäftsführers und damaligen TopRunnigbacks der Dresden Monarchs, Jörg Dreßler, brachte mich zum Football. Die Monarchs spielten damals noch in der 5. Liga. Vom ersten Augenblick nahm mich dieses Spiel voll in seinen Bann. Vor allem auch der Teamgeist, den ich so in keiner anderen Sportart erlebt hatte, beeindruckte mich. Und ich hatte zuvor vieles ausprobiert, von Fußball, Handball, Volleyball über Fechten bis zu Tischtennis und Leichtathletik. Von 1996 bis 1997 spielte ich dann aktiv bei den Monarchs, bis eine schwere Knieverletzung meine Karriere beendete. Danach wollte ich aber unbedingt diesem einmaligen Sport und den Monarchs treu bleiben. So versuchte ich mich zunächst noch als Assistenz-Coach, doch das stieß schnell an meine zeitlich machbaren Grenzen, denn die Monarchs wurden von Jahr zu Jahr immer professioneller und stiegen letztlich 2002 in die GFL (1. Bundesliga) auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits nur noch einfacher Fan – wollte aber gern wieder etwas aktiver werden. Also fuhr ich im Frühjahr 2003 zu meinem Schiedsrichter-Ausbildungslehrgang nach Berlin – und seitdem bin ich mit Leib und Seele Football-Referee.

Schiedsrichter müssen Teamplayer sein – schließlich stehen beim Football bis zu sieben Schiedsrichter auf dem Feld. Und das ist auch durchaus nötig. Das Regelwerk ist in Anbetracht der Härte dieses Sports sehr komplex, es besteht aus zwei Büchern im Schulbuchformat, so dass man mit nur drei Schiedsrichtern, wie zum Beispiel beim Fußball, nie und nimmer auskäme. Die Referees teilen sich das Feld gleichmäßig auf, jeder hat bestimmte Zonen und Schlüsselspieler zu überwachen und letztlich soll das Geschehen auf dem Feld zu jedem Zeitpunkt zwischen den Schiedsrichtern stattfinden und im Auge behalten werden – wir nennen das dann „Einboxen“. So sollen auch versteckte und technische Fouls erkannt und geahndet werden. Doch bevor man soweit ist, Fouls und andere Unzulänglichkeiten zu erkennen oder gar ein Spiel als „Hauptschiedsrichter“, dem Whitehead, zu leiten, bedarf es einer fundierten Ausbildung und Einigem an Erfahrung. Aktuell steigt man als Neuling mit der E-Lizenz ein und hat dann die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt und über mindestens zehn Jahre bis zur A-Lizenz hochzuarbeiten. Ein jährlicher Lehrgang mit abschließender Prüfung zur Erlangung der Lizenz oder der Bestätigung der bisherigen ist Pflicht. Zusätzlich wird vor und nach jedem Spiel das Wichtigste in der jeweiligen Crew besprochen und ausgewertet. Teilweise (häufig bei Finalspielen) werden auch mehr als die genannten sieben Schiedsrichter benötigt, um zum Beispiel Beobachtungen oder Videoaufzeichnungen sicherzustellen, die dann für die nächsten Lehrgänge Verwendung finden.

Erwähnenswert ist für mich auch die Tatsache, dass beim American Football alle Schiedsrichter auf dem Feld gleichberechtigt sind. Daher benutzen wir den Begriff „Hauptschiedsrichter“ im Grunde nie. Der Whitehead soll vielmehr der oder zumindest einer der erfahrensten Schiedsrichter der jeweiligen Crew und deren Sprachrohr für Spieler, Coaches und nicht zuletzt die Zuschauer sein. Dabei kann es natürlich vorkommen, dass er für eine Strafverkündung angefeindet wird, obwohl er über das entsprechende Foul gar nicht selbst befunden hat. In solchen Momenten heißt es Ruhe zu bewahren und die Emotionen der beteiligten Spieler und Coaches nicht die Überhand gewinnen oder sich gar selbst davon anstecken zu lassen. Mir und meinen Kolleginnen und Kollegen ist es bisher immer gelungen, die Wogen eines Spiels bis zu dessen Ende wieder so zu glätten, dass sich nach dem Schlusspfiff alle auf dem Feld in die Augen sehen konnten und sich die Hand gaben. Die Football-Gemeinde in Deutschland ist eben irgendwie eine eingeschworene Gemeinschaft, wie so oft bei Randsportarten. Und die Schiedsrichter gehören beim Football voll und ganz dazu.

Zur Person: Thomas Aust kam 1995 zum Football, spielte zunächst aktiv bis zu einer schweren Knieverletzung. Später coachte er und wurde 2003 Football-Referee. Mittlerweile pfeift er Spiele bis zur 2. Bundesliga und ist Schiedsrichterobmann beim American Football Verband Sachsen.

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, alle zufrieden zu stellen

Luis Wolf

Luis Wolf, Fußball

Ich wurde durch einen guten Freund zum Pfeifen gebracht. Er machte mich vor zwei Jahren darauf aufmerksam und nahm mich mit. Es ist eigentlich ganz einfach Fußballschiedsrichter zu werden. Es kann sich jeder einschreiben, der in einem Fußballverein angemeldet ist. Nach einigen Regellehrabenden, einem abschließenden Regeltestat und einem Lauftest, darf man sich dann Schiedsrichter nennen. All dies sollte für normale Fußballer recht simpel sein. Ich pfeife im A- und B-Jugendbereich und teils Männerbereich innerhalb Dresdens. Für mich liegt der Spaß im Vordergrund, allerdings ist die finanzielle Entschädigung natürlich auch ein Anreiz. Im Juniorenbereich liegt diese bei ungefähr 15 Euro pro Spiel. Fußball ist ein wichtiger Teil meiner Freizeitgestaltung, somit macht mir das Pfeifen Spaß. Besonders schön ist es, wenn alle Spieler freundlich sind und nach dem Spiel Teams und Trainer mit meiner Leistung zufrieden sind, bin ich dies auch.

Natürlich ist es immer schwer alle zufrieden zustellen, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, es gibt nun mal immer einige Unruhestifter, doch da ich selbst Fußballer bin, verstehe ich die Reaktionen der Spieler und weiß mit diesen richtig umzugehen. Generell macht es Spaß, in hitzigen Situationen dabei zu sein, egal welche Liga, welche Jugend, auch wenn der Anreiz nach höherklassigen Duellen immer vorhanden ist. Ich wünsche mir als Spieler immer eine gute Schiedsrichterleistung und bin als Schiedsrichter auf dem Feld immer 100 Prozent konzentriert und versuche mein Bestes zu geben.

Zur Person: Luis Wolf ist 17 Jahre alt und seit 2011 Schiedsrichter. Zudem spielt Luis selbst aktiv Fußball beim FV Dresden Süd-West.

Handballschiri – hartes Brot und trotzdem geil

Sebastian Fuß und Stefan Olsok

Sebastian Fuß und Stefan Olsok, Handball

Handballer sind oftmals verrückte Sportler, die sowohl kräftig, schnell und beweglich sein müssen als auch keine Angst vor schmerzhaften Kontakten zu ihren Gegenspielern haben dürfen. Damit sind auch schon die Faszination und die Besonderheit dieses Mannschaftssports zusammengefasst. In den vergangenen Jahrzehnten sind die Handballspiele aufgrund der verbesserten Trainingsbedingungen und diverser Regeländerungen immer schneller geworden. Darunter haben neben den Spielern natürlich auch wir Schiedsrichter zu „leiden“. Im Sekundentakt finden Bewegungswechsel, Ballwechsel, Technikfehler, Würfe und vor allem harte Körperkontakte statt, wobei die Schiedsrichter durchgängig Entscheidungen fällen müssen. Um den Anforderungen an uns Schiedsrichter beim Handball gerecht zu werden, sind immer zwei Schiedsrichter als Gespann auf dem Spielfeld aktiv. Die Schiedsrichterpaare müssen fast blind miteinander harmonieren, weshalb die Teampartner auch über Jahre fest zusammen pfeifen.

Bei uns Beiden begann der Start mit einer traurigen Geschichte. Ich trainierte in der Jugendzeit unter meinem etwas älteren Schiri-Partner Stefan. Noch vor meinem 18. Lebensjahr hatte ich zwei Jahre hintereinander zwei schwere Verletzungen am linken Knie, so dass die Handballkarriere bereits vor dem Männerbereich vorbei war. Das Ganze wollte Stefan so nicht stehen lassen und suchte eine Möglichkeit, dass ich dem Sport erhalten bleiben kann. Er hatte bereits Erfahrungen als Schiedsrichter im Hobby-Bereich gesammelt und bot mir an, dass wir als festes Gespann zusammen pfeifen. Fünf Jahre und drei Aufstiege später stehen wir nun als unzertrennliche Partner jedes Wochenende zusammen auf der Platte und kämpfen für faire Spiele und unsere große Leidenschaft, den Handballsport. Unser Hobby kostet uns fast genauso viel Aufwand wie den Spielern. Zu den umkämpften Punktspielen gehören ebenso Fitness-Training, Video-Analysen, regelmäßige Lehrgänge und eine gesunde Portion Mut. Die Schwierigkeit liegt darin, dass zum einen alle Beteiligten am Spiel (z.B. Trainer, Spieler und Offizielle) und zum anderen alle Zuschauer zufrieden gestellt werden sollen. Das gelingt meist nur zum Teil, wobei es in den Hallen oftmals auch zu Unmutsbekundungen gegenüber uns Schiris kommt. Dazu kommen regelmäßige Beobachtungen (von unserer Leistung) durch ehemalige Schiedsrichter, welche uns mit einer Punktzahl (für eine Ranglistenbildung für Auf- und Abstiege) bewerten.

Als Aufwandsentschädigung gibt es eine kleine Vergütung (im Amateurbereich bis zur 4.Liga zwischen 20 Euro und 70 Euro pro Spiel + Spesen), jedoch reicht die Wertschätzung unserer Zunft in den letzten Jahren nicht mehr aus, um den Bedarf an neuen Jung-Schiedsrichtern zu decken. Die Folge ist, dass teilweise die gewünschte Qualität nicht gegeben ist oder sogar Spiele im unterklassigen Bereich gar nicht mit Schiedsrichtern abgedeckt werden können. Die Trainer, Zuschauer und Sportler (vor allem in den unterklassigen Ligen) haben leider nicht immer die notwendige Geduld, um uns Schiris auch mal Fehler zuzustehen. Aufgrund der Vielzahl an den in wenigen Sekunden zu treffenden Entscheidungen bleiben diese Fehler oder unterschiedliche Einschätzungen leider nicht aus. Trotz auch mancher schwieriger Momente als Schiri ist es einfach ein geiles Gefühl in einer vollen besetzenden Halle bis zur letzten Minute die bebende Atmosphäre hochkonzentriert direkt auf der Platte miterleben zu dürfen.

Zur Person: Sebastian Fuß (Schiedsrichter seit 2004) und Stefan Olsok (Schiedsrichter seit 1997) vom SC DHfK Leipzig e.V. pfeifen seit 2007 als Gespann zusammen. Über mehrere Aufstiege qualifizierten sie sich im Jahr 2012 für die Mitteldeutsche Oberliga.

Im Schnitt gibt es zwischen 40 und 50 Fouls auf beide Teams verteilt

Michael Szücsk

Michael Szücs, Basketball

Durch viele schwere Verletzungen beim Basketball musste ich meine aktive Karriere aufgeben und bin so zum „Pfeifen“ gekommen. Irgendwas musste ich machen, denn ich war süchtig nach diesem Sport! Das Besondere am Pfeifen sind die vielen Regeln dieses schnellen und technisch anspruchsvollen Spiels. Entscheidungen zu treffen, die sich nicht nur auf die Spieler, sondern auch auf die euphorischen Zuschauer übertragen, ist einfach ein tolles Gefühl. Trotzdem haben wir auf Landesebene haben Schiedsrichtermangel. Man bekommt ein Entgelt, aber nicht in der Höhe, wie beim Fußball. Reich wird man davon nicht, aber man macht es, weil man diesen Sport liebt und hier spreche ich für alle meine Kollegen. Im Basketball gibt es immer zwei Schiris, ab der 2. Liga sind es dann drei. Wer behauptet, dass Basketball ein körperloses Spiel sei, der irrt sich gewaltig. Es geht immer zur Sache und es wird um jeden Zentimeter gekämpft. Deshalb ist es ein sehr körperbetontes und physisches Spiel. Im Schnitt gibt es in jedem Spiel zwischen 40 und 50 Fouls auf beide Teams verteilt.

Als Referee hast du immer Respekt vor den Spielern, nicht nur, wenn sie 2,13 Meter groß sind. Während des Spiels sind immer Emotionen dabei, auch wenn man als Schiri alles richtig macht. Wenn es um Geld geht, wie in der Bundesliga, hört der Spaß schon auf. Da kann es schon mal Einsprüche geben oder der Videobeweis wird gefordert. Strafen musste ich schon in allen erdenklichen Formen aussprechen, also Spieler wegen Fouls vom Feld nehmen oder Trainer wegen groben Unsportlichkeiten aus der Halle verweisen. Das gehört zum Sport. Ich freue mich bei jedem Spiel über bekannte Gesichter, aber in den knapp 40 Minuten Spiele blende ich Privates aus und mache meinen Job. Danach kommt man natürlich ins Quatschen, lernt Kollegen und Spieler kennen oder trinkt mal mit dem Hallenwart einen Kaffee. Ich denke, im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten ist der Referee im Basketball besser angesehen und nicht bloß der Prellbock zwischen zwei gegnerischen Parteien.

Zur Person: Michael Szücs ist 31 Jahre alt, arbeitet als Maler und wohnt in Chemnitz. Er hat bisher über 300 Basketballspiele geleitet.

Sich als guter Kampfrichter zu qualifizieren, dauert in der Regel zehn Jahre

Jan Geppert

Jan Geppert, Karate

Karate ist eine Individualsportart. Im Vergleich zu den Ballsportarten hat dies den einen großen Vorteil. Es gibt wenige herausragende Fußballer, welche später ins Schiedsrichterlager wechseln. Beim Kampfsport, Turnen, Eiskunstlauf, Fechten, etc., sind die Kampfrichter meist ehemalige erfolgreiche Athleten und genießen daher eine deutlich höhere Akzeptanz. Bei Karate kommt noch dazu, dass die Kampfrichter zumeist eine deutlich höhere Graduierung (Dan-Grad) als die Athleten besitzen und daher auch die Tradition dieser Sportart ein Mindestmaß an Respekt gegenüber dem Kampfrichter verlangt. Sich als guter Kampfrichter zu qualifizieren, dauert in der Regel zehn Jahre. Man beginnt als KampfrichterAnwärter des Landesverbandes und kann sich darüber hinaus bis zum Weltkampfrichter hocharbeiten. Bis zur höchsten Lizenz (WKF Referee A) vergehen mindestens 15 bis 20 Jahre mit jährlicher Prüfung und aller zwei Jahre Überprüfung. Im Vergleich zu anderen Sportarten erhalten Kampfrichter eine relativ hohe Aufwandsentschädigung (50 bis 140 Euro, je nach Lizenzhöhe). Allerdings ist ein Handballschiedsrichter inklusive Spielprotokoll nach ca. zwei bis drei Stunden fertig.

Die meisten Karateturniere fordern aber einen permanenten Einsatz der Kampfrichter von bis zu 13 Stunden, bei größeren Turnieren sogar 16 Stunden! Dazu kommen dann über den Wettkampftag verteilt noch hunderte von Entscheidungen über Sieg und Niederlage. Da ist die Aufwandsentschädigung tatsächlich nur ein Schmerzensgeld. Um dies bewältigen zu können, ist ein hohes Maß an Konzentrationsfähigkeit und auch Kondition gefragt, welche durch viele Turniere im Jahr permanent trainiert werden muss. Die wichtigsten Eigenschaften des Kampfrichters sind Objektivität und Regelverständnis. Beides ist jedoch nicht hundertprozentig zu erreichen. Daher gibt es auch Fehlentscheidungen. Durch die Regeländerung (4 Seitenkampfrichter, 1 Hauptkampfrichter, Wertungen werden nur vergeben, wenn 2 Seitenkampfrichter dem gleichen Kämpfer eine Wertung zeigen) ist der subjektive Faktor etwas reduziert worden. Sollte auf internationaler Ebene eine Fehlentscheidung entgegen der Regeln getroffen werden (administrativer Fehler), hat dies gewaltige Konsequenzen für alle an diesem Kampf Beteiligten. In der Regel werden die Lizenzen entzogen, was häufig zum Ende der Kampfrichterkarriere führt. Die betroffenen Athleten reagieren jedoch in der Regel nicht aggressiv, da dies im Karate zu einer Langzeitsperre bis zu zwei Jahren führen kann. Hart, aber fair. So, wie unser Sport.

Zur Person: Jan Geppert kam 1984 mit Karate in Verbindung. An der Offiziershochschule in Kamenz schaffte er die Aufnahmeprüfung in die ASG Militärischer Nahkampf und durfte sich damit auch „offiziell“ mit Karate beschäftigen. Nach der „Wende“ nahm an der einzigen offiziellen DDR-Meisterschaft teil. Nach diversen Titeln in Kata (Formenlauf) und Kumite (Zweikampf) entschied er sich 1992, den Weg als Kampfrichter zu gehen. Seit dem ist er neben seiner Funktion als Präsident auch Kampfrichterreferent von Sachsen.

Unter Wasser gibt es keine Diskussionen

Jörg  Blechschmidt

Jörg Blechschmidt, Unterwasserrugby

1994 wurde ich von einem befreundeten Taucher angesprochen, ob ich nicht mal mit zum Unterwasserrugby kommen möchte. Kurz um habe ich „Ja“ gesagt und bin dabei geblieben. Unterwasserrugby ist für einen Schiedsrichter schon ein außergewöhnlicher Sport. Man ist mit einer Tauchausrüstung unterwegs und trägt somit Flasche, Automat, Maske und Flossen. Um sich von den Spielern zu unterscheiden tragen die  Schiedsrichter  einen Shorty oder ein rotes Leibchen sowie eine rote Kappe. Statt einer Pfeife haben wir eine Hupe. Als Schiri kann man das Geschehen aus drei Dimensionen beobachten und ist mitten im Spiel. Die Spieler schwirren immer wieder um einen herum und man hat das Gefühl, immer jemandem im Weg zu sein. Die Kunst an der Sache ist, das Spiel nie aus den Augen zu verlieren, um auch wirklich jeglichen Regelverstoß zu sehen und natürlich zu ahnden. Die Ausbildung zum Schiri kann im Grunde genommen jeder machen. Voraussetzungen sind Grundtauchschein und ärztliches Attest. Die Ausbildung wird dann in einem Wochenendseminar durchgeführt. Es geht los mit dem Protokollführer gefolgt von der Schiedsrichter C-Ausbildung. Die Klasse C berechtigt zur Spielleitung bis zur 2. Bundesliga, die Klasse B bis zur 1. Bundesliga, die Klasse A für Deutsche Meisterschaften und die Klasse A+ für alle Internationale Meisterschaften. Zum Schiri A und A+ wird man von einem Gremium ernannt.

Regelmäßig Fortbildungen sind bei uns Pflicht, da das Regelwerk jedes Jahr angepasst wird. Sich als Referee im Unterwasserrugby durchzusetzen ist nicht besonders schwer. Es gibt keinen Videobeweis und wenn ich Foul sehe, dann ist das so. Natürlich werden strittige Situationen nach dem Spiel auch mal angesprochen, aber unter Wasser gibt es zum Glück keine Diskussionen. Aber es gibt auch schon mal kuriose Erlebnisse. Als Spielleiter bei der Deutschen Meisterschaft der U15 musste ich eine Menge Verstöße ahnden, da die jungen Spieler noch nicht sehr regelsicher waren. Da gab es natürlich Einwände von den Trainern, Spielern und Eltern. Dazu gab es durch die große Fangemeine ein lautes Tröten, Trommeln und Geschrei. Auch dies war sehr störend, da die Tröten wie meine Hupe klangen. Konsequenz: Die maulenden Trainer und die Tröten bekamen einen „Platzverweis“ und das Finale wurde trotz all dem fair zu Ende gespielt und niemand fühlte sich benachteiligt.

Zur Person: Jörg Blechschmidt als einer der aktivsten Schiedsrichter in Sachsen ist stellvertretender Spartenleiter bei der Sektion Unterwasser-Rugby im Verband Deutscher Sporttaucher und selbst noch aktiver Spieler (Abwehr) bei Torpedo Dresden.

Kampfrichterentscheidungen sind Tatsachenentscheidungen

Saskia Buchwald

Saskia Buchwald, Ringen

Als Frau auf der Matte zu stehen, war für mich nie komisch. Es ist jedoch eine Herausforderung, sich gegen die Sportler, Trainer und manchmal auch die männlichen Kollegen durchzusetzen. Wenn ich irgendwo zum ersten Mal pfeife, werde ich oft belächelt. Aber spätestens während des ersten Kampfes stellen die meisten fest, dass ich das Regelwerk kenne und mich nicht unterkriegen lasse. Es kam auch schon vor, dass Meinungsverschiedenheiten mit Trainern auftraten, weil ich einen Sportler an der Waage abgewiesen habe (er hatte eine Hautauffälligkeit und kein Attest). Frau muss dann eben die Nerven und die Übersicht behalten, wenn die Grenzen ihrer Autorität getestet werden. Dass Emotionen auch etwas überkochen können, ist nicht ausgeschlossen, kommt jedoch selten vor. Amüsant wird es, wenn Sportler auf anderem Wege Kontakt suchen und mich nach dem Kampf auf „ein Bier“ einladen. Spätestens hier muss ich jedoch eine Grenze ziehen und „Nein“ sagen. Meine Schiedsrichterarbeit bedeutet mir sehr viel, auch wenn die geringen Aufwandsentschädigungen oftmals die Kosten nicht decken. Ich finde es sehr niedlich, wenn die kleinen Anfänger mit gerade 23kg über die Matte kugeln. Bei den „Großen“ gefallen mir vor allem die Kämpfe, bei denen viele Wertungen fallen und viele Techniken gezeigt werden. Ein Ligakampf mit vielen Zuschauern und klasse Stimmung macht trotz der Herausforderung schon großen Spaß! Nicht zu vergessen ist auch der soziale Aspekt.

Ich habe als Schiedsrichterin viele Menschen kennen gelernt und bin viel in Deutschland herumgekommen. Kampfrichter sind Menschen und Menschen machen Fehler. Das steht fest und da nehme ich mich nicht aus. Fehlentscheidungen bereue ich kurzzeitig, genau in dem Moment, in dem ich sie getroffen habe. Jedoch blende ich das schnell wieder aus und konzentriere mich sofort wieder auf den Kampf. Auch im Leben eines Kampfrichters gibt es schlechte Tage, genau wie in dem eines Trainers oder eines Sportlers. Prinzipiell kann man mich auf meine Wertungen nach dem Kampf ansprechen. Können Trainer, Sportler oder Zuschauer etwas nicht nachvollziehen, erkläre ich das gern und werte auch Situationen auf Video aus. Wenn ich offensichtlich einen Fehler gemacht habe, kann ich das auch zugeben. Es wird aber nicht passieren, dass ich Wertungen widerrufe. Kampfrichterentscheidungen sind Tatsachenentscheidungen. In dem Moment habe ich so entschieden und dahinter stehe ich auch! Bei Meisterschaften ist der Schiedsrichter nicht mehr alleine. Da gibt es ein Drei-Mann-Kampfgericht, wobei zwei weitere Kollegen die Situation bewerten und meine Wertung eventuell korrigieren. Bei den Deutschen Meisterschaften der Junioren, Männer und Frauen sowie bei internationalen Meisterschaften gibt es den Videobeweis (Challenge), der von den Trainern gefordert werden kann. In diesem Fall können die Kampfrichter ihre Wertung im Zweifel korrigieren.

Zur Person: Saskia Buchwald war selbst aktive Ringerin, musste ihre sportliche Laufbahn jedoch aus Verletzungsgründen beenden. In Mitteldeutschlands Ringerszene ist sie als sympathische und kompetente Mattenleiterin bekannt.

Fotos: Privat, Thomas Brüning, Thomas Köhler

19. Februar 2020

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