Menschen

Erfahrungen und Gedanken zum ersten Marathon

Im Rahmen eines Trainingstipps, der sich mit den Vorbereitungen auf den ersten Marathon beschäftigte, hatten wir auch die Gelegenheit, zwei aktive Marathonläufer zu ihrem ersten Marathonerlebnis zu befragen. Für beide war es unvergleichliches Erlebnis, welches aber auch mit einem vorhergehenden Lernprozess verbunden war. Ergänzend zu den Lauferlebnissen berichtete uns auch ein Mitglied aus dem Organsisationsteam des Chemnitz Marathon von ihren Erfahrungen bzgl. einer Marathonpremiere und dessen, was es bei der Wahl der Veranstaltungen evt. zu beachten gilt.

Mein Traum wurde wahr

Christian Möslein

Christian Möslein aus Leipzig, Geschäftsführer Fitness am Brühl: Es begann mit dem Satz: »Ach, das kann ich auch.« Gemeint war, einen Marathon zu laufen. Zwar wusste ich aus dem Sportstudium, dass es dazu eine gute Vorbereitung braucht, aber den inneren Trainingsschweinehund hatte ich vorher nicht oft bezwungen. So kam es, wie es kommen musste. Ich lief die 42,195km fast aus der »Kalten«, ohne nennenswertes Training. Das Resultat war ein Zieleinlauf nach zähen 4:46 Stunden und wahnsinnige Schmerzen. Dies liegt jetzt mehr als vier Jahre zurück. Trotz des für mich enttäuschenden Ergebnisses, hatte es mich damals plötzlich gepackt. Mein Ehrgeiz trieb mich voran und bis zum Herbst 2013 verbesserte ich meine Marathonzeit jedes Jahr um rund 30 Minuten. Ein neues Ziel verankerte sich in meinem Kopf. Ich wollte die Drei-Stunden-Marke knacken. Dafür brauchte ich Unterstützung, die ich bei Ronny Martick fand. Er erstellte mir professionelle Trainingspläne, gab mir Tipps und brachte mir den Laufsport noch um einiges näher. Die Vorbereitungen liefen fast perfekt, meine Formkurve zeigte stetig nach oben. In der Vorwoche des Berlin Marathons hatte ich mich nach der »Saltin-Diät« ernährt. Das bedeutet, dass man seinen Kohlehydratspeicher komplett leert, um ihn dann durch gezielte Ernährung wieder auf 125 Prozent zu füllen und entsprechende Mehrleistung zu erzielen.

Am Wettkampftag klingelte 5:30 Uhr der Wecker. Nach einem kleinen Laufauftakt und Gymnastik galt es beim Frühstück im Hotel die Speicher nochmal zu füllen und sich langsam fertig zu machen. Um 8:45 Uhr fiel dann der Startschuss zum größten deutschen Marathon mit 40.000 Läufern. Ich war einer davon. Ich lief am Anfang mit Blick auf die 3-Stunden- Tempomacher, aber ab Kilometer fünf mein eigenes Tempo. Bloß nicht zu schnell anfangen und immer schön »mitrollen«, sagte ich mir. Ronny Martick hatte mich als Radbegleitung unterstützt. Das war ein sehr gutes Gefühl. Von Zuschauern, Bands und Emotionen getragen, lief und lief ich und endlich brachen die letzten zehn Kilometer an. Ich merkte, dass meine Beine nicht mehr so wollten, wie mein Kopf. Von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 4:12Min/km ging es langsam Richtung 4:20. Im Kopf rechnete ich schon, wie viel Zeitpolster noch bliebe. Im Geiste ging ich wieder durch, wie schön der Einlauf bei 2:59h durch das Brandenburger Tor sei. Also hieß es: »Arschbacken zusammenkneifen und jeden Kilometer einzeln betrachten.« Bei Kilometer 36 gab es die letzte Verpflegungsflasche und ich war immer noch im Soll. Bei Kilometer 39 überholte mich der 3h-Zugläufer. Jetzt dran bleiben und du schaffst es. So dachten bestimmt auch viele andere, denn in seinem Schlepptau war eine große Traube von Läufern. Bis Kilometer 40 blieb ich in der Gruppe und lies dann ein wenig reißen. Das Brandenburger Tor war zum Greifen nah und ich mobilisierte wie in Trance alle Kräfte. Auf der Zielgerade überholte ich den Zugläufer und wusste 50 Meter vor dem Ziel: Oh Gott, Wahnsinn, das reicht. Ich hatte es tatsächlich geschafft! Ich bin zum ersten Mal den Marathon unter drei Stunden gelaufen. In offiziell 2:59:39h überquerte ich die Ziellinie. Was für ein geiles Gefühl. Nach einer kurzen Nachverpflegung im Zielbereich schlossen mich meine Frau, meine Tochter und mein Trainer in die Arme. Alle wussten wie wichtig mir diese Zeit war und hatten die ganze Zeit mit gefiebert. Die Erleichterung war bei allen zu spüren und ich musste mir ein paar Tränen verdrücken.

Der Beginn einer neuen Leidenschaft

Steffen Ziska

Steffen Ziska aus Pirna, Läufer aus Leidenschaft: Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Start und gleichzeitig ersten Marathon überhaupt erinnern. Auch damals war es ein 26. April (2009). Davor war ich ein reiner Freizeit-Jogger, der regelmäßig, oder manchmal auch nicht, seine zehn Kilometer lief, um fit und gesund zu bleiben. Motiviert für einen Marathon wurde ich damals in meinem Kollegen(innen)- Kreis. Also machte ich Nägel mit Köpfen und meldete mich für den sechs Monate später stattfindenden Oberelbe-Marathon an. Ich sprach mit meinen Lauffreunden über Trainingsumfänge und kaufte mir einen Pulsmesser. Eine entscheidende Motivation war damals auch unser Hund, mit dem ich eh immer raus musste, egal bei welchem Wetter. Er hatte zu der Zeit seine helle Freude an meiner neuen Herausforderung.

Von höchstens drei Laufeinheiten á 10km die Woche steigerte ich mich auf fünf. Wenn die Strecken länger wurden, lief ich dann drei- bis viermal pro Woche. Manchmal konnte ich meine Partnerin oder eins meiner Kinder dazu begeistern, mich mit dem Rad zu begleiten. Ich versuchte, immer Abwechslung ins Laufpensum einzubauen. Einen Tag schnelle 10km, den nächsten 20 bis 25km und einmal pro Woche eine Art Intervalltraining. Ich muss aber auch zugeben, wenn ich mal so richtig keine Lust hatte, ließ ich dann schon mal eine Einheit aus. Heute sage ich, dass war auch richtig so. Lieber mal einen Tag mehr regenerieren, als sich zu überfordern und die Lust zu verlieren. Ich kenne genügend Läufer, die übertrainiert zu einem Marathon antreten und sich wundern, dass sie unterwegs »eingehen«. Und sind wir doch mal ehrlich: die Lust und gute Laune soll doch an vorderster Stelle stehen. Später wurden dann meine Laufumfänge immer länger, bis zu 35km. Oft lief ich dann eine Teilstrecke des OEM. In dieser Zeit trainierte ich auch das Trinken und Verpflegung aufnehmen während des Laufens. Ab Anfang April reduzierte ich wieder die Laufumfänge mit nicht mehr als 25km. Zwei Wochen vorm großen Ereignis nahm ich als letzte Generalprobe an einem Halbmarathon teil, um unter Wettkampfbedingungen zu laufen. Bei dem Lauf musste ich auch zwei wichtige Erfahrungen machen. Ich benutzte ein anderes isotonisches Sportgetränk, was ganz böse Magenkrämpfe zur Folge hatte und ich lief anfangs zu schnell. Die letzte Woche machte ich nichts mehr. Ich fühlte mich gut vorbereitet und hochmotiviert.

Endlich war dann der Tag meines lang ersehnten ersten Marathons. Ich versuchte meine Euphorie im Zaum zu halten und meiner Laufstrategie zu folgen. Ich nutzte alle Verpflegungspunkte. Schneller, als erwartet, erreichte ich die Pirnaer Altstadt. Bekannte Gesichter verhalfen mir zur weiteren Motivation. Leider bekam ich die ersten leichten Wadenkrämpfe. Ab Höhe Schloss Pillnitz hatte ich dann keinen Blick mehr für alles andere. Ab da fing für mich der Marathon richtig an. Nun kam mir zu Gute, dass ich oft die Strecke im Training lief, so dass ich wusste, dass es ab Tolkewitz bis zur 35km-Marke schwer wird, aber auch diesen Punkt knackte ich. Geschaft, aber glücklich überquerte ich nach drei Stunden und 43 Minuten die Ziellinie im Heinz Steyer Station. Manche habe ich sagen hören: einen Marathon und nie wieder. Für mich war es der Beginn einer neuen Leidenschaft.

Irgendwann will man es wissen

Kristin Röhr

Kristin Röhr, Organisationsteam des Chemnitz Marathons: Was letztlich der besondere Reiz am Marathon ist und warum es immer mehr »Laufverrückte« werden, die sich auf die Strecke stürzen, ist schwierig zu erklären. Viele Einsteiger kommen zum Laufen, aus Empfehlungen vom Arzt oder weil ihnen der Ausgleich zum überwiegend sitzenden Büroalltag fehlt. Irgendwann rücken diese Motive in den Hintergrund und man will sich auch mal messen oder herausfinden, wohin einen das Training gebracht hat. Und so fängt man an bei Jedermann-Rennen an den Start zu gehen. Man fängt ganz klein mit 10km an, versucht sich irgendwann an 21km und der ein oder andere wagt sich schließlich sogar auf die Marathondistanz. Dabei will der Sportler auch Grenzen des eigenen Körpers ausloten. Die meisten sind zuvor auch im Training nur selten über 30km gelaufen, so dass es auch eine ganz neue Erfahrung bedeutet, die über 40km zu bezwingen. Nicht viele trauen sich überhaupt an den Start und noch weniger können sich als »Marathoni« oder Finisher bezeichnen. Diejenigen, denen es gelingt, durchströmt das gute Gefühl, es geschafft zu haben und nicht nur sich selbst, sondern auch die Strecke bezwungen zu haben. Das I-Tüpfelchen sind dann noch die vielen Menschen, die den Streckenrand säumen und auch für den letzten Läufer noch so viel Begeisterung und Unterstützung zeigen wie für die Ersten.

Für den Einstieg ist in unserer Region der Chemnitz Marathon ideal geeignet. Die Strecke ist sehr flach, hat also keine Anstiege, die die Oberschenkel zum Glühen bringen und das Laktat in die Waden treibt. Zum überwiegenden Teil verläuft die Strecke durch den grünen Stadtpark, immer parallel zur Chemnitz. Gerade wenn es die Sonne sehr gut mit den Läufern meint, bieten die vielen Bäume erholsamen und erfrischenden Schatten. Auf einer Runde befinden sich je vier Verpflegungspunkte. Der Läufer kann also insgesamt 16- mal zu Bananen, Äpfeln, Wasser und Iso-Getränken greifen. Er minimiert so sein Risiko zu unterzuckern oder zu dehydrieren. Da die Strecke insgesamt viermal durchlaufen wird, ist der Verlauf schnell eingeprägt. Damit verringert sich die Gefahr, den typischen Anfängerfehler zu begehen und auf der Strecke zu »überpacen«. Der Läufer kann so das Rennen und seine Kräfte besser einteilen. Und wenn man für die Vorbereitung noch Unterstützung braucht, stehen viele Vereine in der Umgebung (u.a. Lauf-KulTour e.V.) oder Laufsportläden mit Tipps und Trainingsplänen oder speziellen Laufgruppen bei der Vorbereitung zur Seite.

Fotos: Privat

14. Juli 2018

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