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Hinter den Kulissen: Was macht eigentlich ein Zug- und Bremsläufer?

Ein Laufgruppe, die einem Zugläufer hinterherläuft

„Was machst du eigentlich als Zug- und Bremsläufer? Welche Funktion besitzt du?“ Dies sind Fragen, die ich regelmäßig gestellt bekomme und immer wieder höre. Ja, wer sind wir eigentlich? Ich würde sagen, ein ziemlich unbekanntes Klientel mit einer großen Aufgabe und Verantwortung. Gerne werden wir auch als „Hasen“ bezeichnet, aber Hasen sind leider nur auf kurzen Distanzen gut unterwegs. Wir lieben die Langstrecke. Daher bevorzuge ich eher die Bezeichnung „Zug- und Bremsläufer“. Aber bremsen wir nun eher oder ziehen wir die Leute?

Mehr als nur ein Tempomacher

Bei jeder größeren Laufveranstaltung regional, deutschlandweit und weltweit ist es mittlerweile üblich, dass die Veranstalter „Zug- und Bremsläufer“ für bestimmte Endzeiten engagieren. Wir sind die Leute mit den Luftballons und tragen meist auch noch T-Shirts, auf denen die Endzeit steht, für die wir verantwortlich sind. Gab es früher solche „Zug- und Bremsläufer“ nur im Marathon, so sind sie in der Zwischenzeit auch im Halbmarathon (z.B. beim Oberelbemarathon) anzutreffen. Im Marathon werden in der Regel die Endzeiten von 3:30h, 3:45h, 4:00h und 4:15h abgedeckt; beim Halbmarathon sind es die Zeiten von 1:30h, 1:45h und 2:00h.

Strategien und Verantwortlichkeiten

Unsere Aufgabe ist es, den an diesen Endzeiten interessierten Läufern ein konstantes Tempo vorzugeben, um diese Endzeit zu erreichen. Dabei rennen wir nicht wie so oft gedacht die erste Hälfte schneller und die zweite langsamer, sondern wir geben ein gleichmäßiges Tempo vor. Aber das ist nicht alles. Zum Anfang gilt es vor allem herauszufinden, ob die Läufer beim richtigen „Zug- und Bremsläufer“ sind, damit sie nicht Gefahr laufen sich zu überfordern. Durch rege Gespräche findet man sehr schnell heraus, ob die Mitläufer auf Grund ihrer Vorerfahrungen, ihrer bisherige Leistungen in der Saison und ihres stattgefundenen Trainings das Potential für ihre angestrebte Endzeit haben. Mit einer der wichtigsten Aufgaben ist es, die Läufer vor allem am Anfang in ihrem Tempo zu bremsen, da sie sich von der Euphorie der Zuschauer oft mitreißen. Wir müssen sie immer wieder an das Trinken und Essen an den Verpflegungsstellen hinweisen, ihnen psychologisch über den Zeitraum zwischen km 30 und 42,5 hinweghelfen und sie immer wieder motivieren. Je mehr Läufer zusammen laufen, umso leichter fällt es allen und umso mehr abgelenkt sind sie vom sturen Kilometerzählen und Warten, wann der „Mann mit dem Hammer“ kommt.

Vorbereitung und Qualifikationen

Und wie hält man sich dafür fit bzw. bereitet sich darauf vor? Alle „Zug- und Bremsläufer“ sind Läufer mit einer langen Laufhistorie und -erfahrung. Oft sind es sogar Läufer, die auch an Wettkämpfen teilnehmen, die über die Marathondistanz hinausgehen (z.B. Rennsteig-Ultramarathon 72,7 km, Swiss Alpin 78 km, 100 km von Biel etc.). Wer als „Zug- und Bremsläufer“ aktiv ist, sollte eine Bestzeit von ca. 30 min unter der verantwortlichen Endzeit aufweisen können und regelmäßig trainieren. Mir kommt dabei meine Arbeit als Personal Trainer entgegen. Ich trainiere selber bis zu neunmal die Woche (fünf- bis sechsmal Lauftraining und drei Krafteinheiten mit Stabilisationsübungen) und hinzu kommen die Einheiten mit meinen Kunden.

Um auch gut vorbereitet diese Marathons zu bewältigen, lege ich mir die Aufgaben als „Zug- und Bremsläufer“ in die Vorbereitungszeit meiner eigentlichen Laufhöhepunkte im Jahr. So komme ich auf bis zu drei Einsätze im Jahr und kann auch wirklich garantieren „bei Wind und Wetter“ die vom Veranstalter gewünschten Endzeiten zu laufen. Ich freue mich immer wieder auf meine Einsätze und die Möglichkeit, den anderen Läufern meine Lauferfahrungen weitergeben zu können. Es gibt nichts Schöneres als das „Danke“ eines Mitläufers, der erfolgreich das Ziel erreicht hat.

Autoreninfo

Tell Wollert

Tell Wollert wurde 1980 in Halle geboren und studierte Sport an der Martin-Luther-Universität Halle/ Wittenberg mit dem Schwerpunkt „Prävention, Therapie und Rehabilitation“. Er schloss das Studium als Diplomsportlehrer ab. Danach arbeitete er einige Jahre in unterschiedlichen Rehakliniken als Sporttherapeut, ehe er sich im März 2010 in Radebeul und Dresden als Personal Trainer mit seiner Firma „laufend aktiv“ selbständig machte. Tell Wollert ist selbst begeisterter Läufer, absolvierte u.a. den Ultrarennsteiglauf über 72,7 km in 6:11:56 h, diverse Marathons (u.a. den Swiss Alpine, Köln, Berlin, Rennsteig, …) und ist als Zug- und Bremsläufer für den Johannesbad Thermen-Marathon in Bad Füssing, den Mitteldeutschen Marathon in Leipzig und den Oberelbemarathon in Dresden für die Endzeiten von 3:15 h und 3:45 h zuständig.

Fotos: Tell Wollert

25. August 2015

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