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Interview: Patrik Baboumian

Patrik Baboumian

Er ist 1,71 Meter groß und über 120 muskulöse Kilos schwer. In einer animalischen Kraftleistung hebt er Gewichte, von denen normale Kraftsportler nur träumen können. Mit seinem Charisma und seiner körperlichen Präsenz könnte er Hauptrollen in „Conan der Barbar“ oder „300“ spielen. Er spricht fünf Sprachen, studiert Psychologie und ist der Protagonist einer demnächst ausgestrahlten Filmdokumentation. Er ist Veganer und einer der Kampagnenmotive der PETA-Tierschutzorganisation. Er ist Autor des Buches Vegan ganz anders. Sein Name ist Patrik Baboumian und er ist der stärkste Mann Deutschlands.

Seit August 2011 bist du offiziell der „Stärkste Mann Deutschlands“ – wie bist du zu dieser Auszeichnung gekommen?

Ich betreibe seit meinem 14. Lebensjahr Kraftsport und habe dabei von Bodybuilding über Kraftdreikampf und Armdrücken bis hin zum Strongman alles Mögliche ausprobiert. Seit ich 2006 mit dem Strongman – damals noch als Leichtgewichtler – anfing, habe ich mich Jahr für Jahr in kleinen Schritten nach vorne gearbeitet. 2010 bin ich dann ins Schwergewicht aufgestiegen und habe direkt den Titel des Deutschen Vizemeisters geholt. 2011 war ich dann nicht mehr aufzuhalten und habe mir trotz einer bösen Wadenverletzung nur drei Wochen vor der Deutschen Meisterschaft noch den Titel sichern können und somit auch den Anspruch auf die Bezeichnung „Stärkster Mann Deutschlands 2011“.

Was bedeutet Kraft für dich persönlich?

Ohne Kraft und einen unbändigen Willen wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Das Leben hat mir nie irgendetwas geschenkt. Wichtig ist, dass man nie sein Ziel aus dem Auge verliert und eine gesunde Portion Größenwahn gehört auch dazu, wenn man ambitionierte Ziele verfolgt.

Wie bist du zum Kraftsport gekommen? Gab es Vorbilder?

Ich wollte ursprünglich, zusammen mit meinem Schulfreund Pierre Lamely, Muskeln und Kraft für unsere angestrebte Kariere als Catcher aufbauen. Dabei merkten wir schnell, dass wir ein ausgesprochenes Talent für den Kraftsport hatten und blieben somit bei den Hanteln hängen.

Du bist in mehreren Kulturen aufgewachsen und hast leider sehr früh deinen Vater verloren. Inwieweit hat dich das geprägt?

Da ich als Armenier im Iran geboren bin und meine frühe Kindheit dort verbracht habe, bin ich mit zwei Sprachen und in zwei recht unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen. So habe ich schon als Kind gelernt, mich zwischen verschiedenen Kulturen zu bewegen und mit den Ambiguitäten umzugehen, die ein solches Leben mit sich bringt. Dadurch fiel es mir leichter, mich schnell in die Deutsche Lebens- und Denkweise einzuleben, als ich mit sieben Jahren mit meiner Mutter nach Deutschland kam. Der frühe Verlust meines Vaters schweißte meine Mutter und mich als Einzelkind sehr zusammen. Zugleich musste ich aber früh lernen, an meinen Zielen und Wünschen selbst zu arbeiten, ohne dass mir jemand unter die Arme greifen konnte. Diese Erfahrungen waren sehr wichtig für meine Entwicklung, da sie mich schon als Kind gelehrt haben, stark zu sein und mich zwischen sehr unterschiedlichen Welten zu bewegen.

Mit einer Körpergröße von 1,71 Meter bist du einer der kleinsten Strongman und bei vielen Disziplinen z.B. den „Atlas Stones“ (Steinkugelheben) benachteiligt. Was macht dich trotzdem so stark?

Wenn man nicht die besten Voraussetzungen hat, dann muss man eben umso mehr das Beste aus sich herausholen. Dies versuche ich schon seit Jahren. Außerdem spielt auch der Kopf eine wichtige Rolle. Der beste Körper nützt nichts, wenn man nicht die Willenskraft hat, allen Schmerzen und Anstrengungen zum Trotz an seinen Zielen zu arbeiten. Wenn ich etwas wirklich will, dann können mich nur sehr wenige Mächte auf dieser Welt aufhalten.

Du sagst selber, dass du „jeden Tag ein besserer Patrik sein möchtest“. Was treibt dich an, woher holst du deine Motivation?

Für mich gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man kommt voran im Leben, oder man wird langsam immer schwächer. Ich möchte wachsen und voran kommen!

Neben deinen außerordentlichen Kraftleistungen bist du vor allem auch durch die PETA-Kampagne bekannt geworden, bei der du dich als Vegetarier „geoutet“ hast. Was waren deine Motive dazu?

Da ich mich aus ethischen Gründen für den Vegetarismus und später Veganismus entschieden habe, war für mich die Anfrage von PETA eine tolle Gelegenheit meine Ansichten mit der ganzen Welt zu teilen und so Einfluss auf andere Menschen zu nehmen. Mittlerweile weiß ich von etwa zwei Dutzend Athleten, die mich explizit als Denjenigen angeben, der sie – was die Ernährung angeht – maßgeblich beeinflusst hat. Es ist ein tolles Gefühl, zu sehen, dass man durch den Sport etwas in der Welt bewegen kann und ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung.

Mittlerweile ernährst du dich rein sogar. Wie kommst du als Kraftsportler auf die erforderlichen Nährstoffe und Gesamtkalorien?

Tja man stellt sich das wesentlich schwerer vor, als es ist. Ich nutze Soja in Form von Proteinpulver, Soja-Milch und Tofu als Haupteiweißquelle. Dazu kommen Hülsenfrüchte und Nüsse. Meine Energie beziehe ich aus Haferflocken, Reiß, Kartoffeln, Gemüse und Obst. Da meine Verlobte Katy unsagbar lecker für uns kocht, habe ich in keinster Weise das Gefühl auf irgendetwas zu verzichten.

Wie wirkt sich Veganismus auf dein Privatleben aus?

Es erfordert schon ein gewisses Maß an Organisationstalent, um als Veganer in einer omnivoren Gesellschaft ein relativ normales Leben führen zu können. Allerdings sind die ersten Wochen die schwerste Zeit, wenn man erstmal seine Abläufe hat und weiß, was man im Supermarkt noch kaufen kann und was nicht, dann ist es kein Problem mehr. Ich bin jetzt im vierten Monat und merke es quasi kaum noch. Auf Reisen habe ich mein eigenes Essen mit, was man als Sportler aber ohnehin gewohnt ist.

Zurück zum Kraftsport. In letzter Zeit hast du in der Disziplin „Baumstammstemmen“ neue Maßstäbe gesetzt. Auch ein Weltrekordversuch mit 215 Kilo stand in Aussicht. Wie sehen deine sportlichen Ziele für die weitere Zukunft aus?

Leider waren die Bedingungen bei meinem letzten Rekordversuch nicht optimal und ich konnte aufgrund eines stark nachgebenden Bodens den Stamm nicht stabilisieren, sodass ich die 215 Kilo zwar sehr leicht umsetzen konnte, jedoch keine Chance hatte, das Gewicht auch über Kopf zu stemmen. Ich werde im Laufe des Jahres erneut angreifen und habe mir als persönliches Ziel vorgenommen die 220 Kilo möglichst bald zu erreichen.

Schwere Gewichte zu stemmen und gleichzeitig Geisteswissenschaften zu studieren, passt nicht unbedingt in das übliche Klischee, das die Öffentlichkeit von Kraftsportlern hat. Mit welchen Vorurteilen siehst du dich konfrontiert?

Ich bekomme von den gegebenen Vorurteilen selbst nicht viel mit, außer ab und an ein überraschtes Gesicht, wenn ich von meinem akademischen Hintergrund erzähle. Jedoch nervt es ein wenig, wenn man an der Uni immer nur vom Sport erzählen muss, weil das für die Kommilitonen und Dozenten eben etwas sehr Ungewohntes ist. Wie ich schon sagte, ich bin es gewöhnt, mich zwischen unterschiedlichen Welten zu bewegen.

Wie bringst du Studium, Training und Privatleben unter einen Hut?

Gerade seit dem Titelgewinn 2011 ist doch sehr viel bei mir passiert und mittlerweile wächst mir alles beinahe über den Kopf. Ich bin froh, dass ich nun nur noch meine Diplomarbeit zu schreiben habe und somit in einigen Wochen das Studium hinter mir liegt und ich mich einstweilen voll auf den Sport konzentrieren kann. In den vergangenen drei Jahren lebte ich vom Sport und finanzierte so auch mein Studium. Diese Zeit war teilweise sehr stressig und hart. Jetzt wird langsam alles einfacher und ab April bekomme ich mächtig Rückendeckung von meinem zukünftigen Sponsor, sodass ich mich voll auf meine Titelverteidigung und meine erste Teilnahme bei der WSM konzentrieren kann.

Vor zwei Jahren ist der Regisseur und Produzent André Rössler auf dich aufmerksam geworden. Daraus entstand die Idee zum Film „Kraftakt“. Kannst du uns kurz erzählen, wie es dazu kam?

Ein guter Freund von mir kennt André persönlich und hat mich für die Rolle in der Dokumentation "Kraftakt" vorgeschlagen. Als André mich daraufhin kontaktierte, merkten wir schnell, dass wir zusammen auf dem richtigen Weg waren und so nahm alles seinen Lauf.

In Kraftsportkreisen und darüber hinaus bist du schon sehr bekannt. Der Film, in dem u.a. auch Bodybuilding-Legende Lou Ferrigno einen Auftritt hat, wird dich weiter bekannt machen. Wie gehst du damit um?

Natürlich bringt die Bekanntheit einige Annehmlichkeiten mit sich, jedoch ist es oft auch sehr anstrengend. Oft fällt es einem nicht leicht, wenn man einfach nur einkaufen möchte, mit den „Annährungsversuchen“ der Leute umzugehen. Als ehemaliger Klassenkasper füge ich mich jedoch meist meinem Schicksal und versuche zu unterhalten.

Was kann man von dir noch erwarten? Wo sehen wir Patrik Baboumian in fünf Jahren?

Ich werde in den kommenden Monaten einige meiner Ideen umsetzen, die durch das Studium lange vor mir her geschoben wurden. So wird es ein Buch und eine DVD zu meiner Version der Kraftsportnahrung geben und einige kleinere Filmprojekte sind auch in der Mache. Im Moment verändert sich mein Leben so rasant, dass ich es nicht einmal wage, zu sagen, wo ich in einem Jahr stehen könnte. Ich lasse mich also, so wie der Rest der Welt, einfach überraschen, was das Universum mit mir vorhat.

Fotos: Privatarchiv Patrik Baboumian, Pierre Lamely www.bodybuilding-magazin.de, PETA Deutschlan

23. November 2020

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