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Interview: Martina Strutz

Martina Strutz

Martina Strutz ist die neue Ikone des deutschen Stabhochsprungs. Das 1,60 Meter große Kraftpaket und Energiebündel, das vom Auftreten her durchaus ein weibliches Pendant des Handballers Stefan Kretzschmars sein könnte, hatte es in den letzten Jahren nicht leicht. So mancher hätte an ihrer Stelle das Handtuch geworfen. Nicht so Martina Strutz. Aufgegeben hat sie trotz aller Rückschläge und Enttäuschungen niemals. Dafür wurde sie mit Silber bei EM und WM, sowie dem 5. Platz bei Olympia in London belohnt. Ende Januar ist sie erneut in Dresden beim Springermeeting zu Gast und versucht dort, nach Silber im vergangenen Jahr, auf den obersten Podestplatz zu springen. In unserem Interview erzählt sie uns über den Alltag als Hochleistungssportlerin, ihre bewegte Sportlervergangenheit und ihr ausgeklügeltes Training, das ihr helfen soll, auch noch als „Oma“ mit dem Stab zu springen.

Lange Zeit hast du für das gekämpft, was du jetzt erreicht hast. Fühlst du Genugtuung, nachdem du oft schon abgeschrieben wurdest?
Nein, Genugtuung würde ich es nicht nennen, sondern eher Lohn für die Mühen. Ich habe lange warten müssen, aber es hat sich gelohnt! Außerdem mache ich es für mich und nicht, um dem zu entsprechen, was andere sagen oder denken könnten.

Wie oft dachtest du ans Aufgeben?
Aufgeben ist für mich keine Option, genauso wenig wie Weglaufen! Wie hast du dich über die Jahre steigern können?

Wie schwer ist es, als erfahrene Athletin noch einmal alles zu hinterfragen und Ernährung und Training umzustellen?
Nicht sehr schwer, wenn man weiß oder das Gefühl hat, dass man noch nicht am Ende seiner Leistungsgrenze ist und eigentlich mehr kann. Ich habe hart gearbeitet und ich wurde von vielen Menschen unterstützt, die an mich geglaubt und mich auch nie aufgegeben haben. Ich hinterfrage mich sehr oft im Leben und denke, dies ist ein guter Weg, um sich selbst zu reflektieren und neu zu gestalten. Mit dem richtigen Team als Stütze ist vieles einfacher als man denkt.

Wie bist du eigentlich zum Stabhochsprung gekommen?
Ich habe acht Jahre geturnt und wurde dann in einem Jedermann-Zehnkampf, den ich mit meinem Papa gemacht habe, für den Stabhochsprung entdeckt.

Was fasziniert dich an deinem Sport?
Fliegen, das Gefühl von verrücktem Frei sein und dass es vielleicht nicht jeder kann. Auf jeden Fall die Herausforderung, ob ich am Ende wirklich auf der Matte landen werde.

Welche Faktoren sind beim Stabhochsprung am wichtigsten?
Kraft, Erfahrung, Nerven und Ernährung – ich denke es spielt alles eine Rolle. Die gesunde Mischung macht‘s. Mit Erfahrung kann man schon viel Wett machen, aber wenn man seine Nerven nicht im Griff hat, dann nützt das auch nicht viel. Alles in allem muss es am Ende für jeden individuell eine runde Sache ergeben.

Was hat es eigentlich mit der Wahl des Stabhochsprungstabes auf sich?
Je höher die Messlatte liegt, umso härter werden in der Regel auch die Stäbe. Ein Springer steigert sich in den Wettkampf hinein und wird von Sprung zu Sprung schneller und besser. Somit braucht er auch härtere Stäbe. Dies handhabt jedoch jeder Springer nach Gefühl. Hier gibt es keine universelle Richtlinie.

Wie trainieren Stabhochspringerinnen?
Ich denke, ich kann da jetzt nur für mich sprechen, aber mein Training ist schon sehr hart. Ich musste durch eine harte Werfer-Schule gehen. Mein Trainer ist eigentlich Wurftrainer und somit arbeite ich viel im Kraftausdauer-, Kraft- und auch Ausdauerbereich. Obwohl es hart ist, macht es Spaß. Trotzdem ärgert es mich manchmal tierisch, wenn ich mit neuen Übungen fast schon vorgeführt werde, aber dies setzt nun mal die besten Reize. Ich springe im Training seit drei Jahren nicht mehr ganz so viel, dafür qualitativ hochwertiger. 20 bis 30 Sprünge im Training, im Wettkampf sind es in der Regel bis zu 15, außer ich versage komplett, dann sind es nur drei.

Wie sieht es mit Verletzungen aus?
Kenne ich seit drei Jahren fast nicht mehr. In 2012 zuckte die Achillessehne nochmal ein bisschen, aber das war meine eigene Dummheit. Aber wir lernen ja, deswegen bin ich im Moment gesund und fit. Bis auf die normale Müdigkeit, die jeden mal packt.

Wann ist beim Stabhochsprung das kritische Alter erreicht, in dem der Körper nicht mehr die geforderten Höchstleistungen bringen kann?
Ich glaube es gibt kein kritisches Alter und es ist von Athlet zu Athlet unterschiedlich. Gesund und verletzungsfrei muss ich bleiben, dann springe ich auch noch als Oma…

Hat man unter Stabhochspringerinnen auch Freundinnen oder nur Konkurrentinnen?
Konkurrenz wird es immer sein, aber mit einigen kann man besser und mit anderen nicht. Das ist wie im normalen Leben auch. Ich würde dem nicht zu viel beimessen. Jeder will sein Bestes geben und der Eine kann sich für Andere freuen und der andere eben nicht. Das liegt wohl am persönlichen Anspruch. Aber ich sag es mal so: private Treffen sind eher von seltener Natur. Mit den „Alten“ ging das noch, aber die Jungen sind da ein wenig verkrampfter.

2006, 2011 und 2012 – in diesen Jahren hast du deine größten Erfolge gefeiert. Sind dies auch aus deiner Sicht die wichtigsten Jahre in deiner sportlichen Laufbahn?
Bisher auf jeden Fall! Aber auch in den Jahren dazwischen habe ich viel gelernt. Fast noch mehr, als in den drei Jahren. Erfolg ist schön, aber aus Niederlagen und Rückschlägen lernt man mehr fürs Leben und für die Zukunft.

Vor der WM 2011 erlitt dein Trainer einen Herzinfarkt. Wie bist du mit diesem Schicksalsschlag umgegangen?
Ich war natürlich erstmal aus meiner heilen Welt herausgerissen und brauchte Zeit, bis ich das verarbeitet hatte. Ich hatte als Älteste mit einmal auch Verantwortung für meine Trainingsgruppe, aber wir haben das alle gemeinsam durchgestanden und waren erfolgreich. Der Trainer spielt ohnehin in meinem Sport eine sehr große Rolle. Ich sehe ihn öfter als irgendeinen anderen Menschen in meinem Leben. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, er gibt mir Mut und Kraft und glaubt an mich. Und er schreibt diese verdammt gemeinen und harten Trainingspläne, die sich durch mein Jahr ziehen, aber das verzeihe ich ihm. Als mein damaliger Trainer starb, war es ein Gefühl als wenn man den Boden unter den Füßen verliert. Ich stand mitten in der Saison vor einem großen Nichts, aber er hat mir auch Kraft gegeben zu kämpfen, weil er gekämpft hat.

Im März 2012 ist auch noch deine Heimtrainingsstätte abgebrannt, was war los?
Ja, die ist in den frühen Morgenstunden des 24. März abgebrannt. Ich bekam nur einen Anruf und die Info, dass ich noch ein paar Stäbe retten könnte, wenn ich mich schnell auf die Socken mache. Dann hab ich vom Balkon geschaut, weil ich es nicht glauben konnte. Ich sah eine riesige Rauchwolke über der Stadt und bin sofort los. Gott sei Dank konnte ich den größten Teil meiner Stäbe in Sicherheit bringen, sonst wäre die Saison 2012 gelaufen gewesen. Der Umzug von Schwerin nach Neubrandenburg in die neue Trainingshalle hat mich sehr beeinflusst. Ich habe meinen Trainer nur zum Techniktraining gesehen und musste für eine Stunde Springen immer vier Stunden Auto fahren. Das war für meinen Kopf nicht gerade förderlich! Ansonsten hatte ich einige Mehraufwendung mit Fahrtkosten, doppelter Miete und Haushaltsführung. Aber das steckt man auch weg und nimmt es in Kauf, wenn man Olympia als Ziel vor Augen hat. Zumal ich in Neubrandenburg auch sehr gut aufgenommen wurde und dort nun auch ein sehr gutes Team mit hilfsbereiten und lieben Menschen um mich herum habe.

Sächsische Leichtathletikfreunde können dich im Januar auch in Dresden sehen. Beim dortigen Springermeeting bist du fast schon Stammgast. Wie ist die Atmosphäre in der Halle bei Sprüngen mit Musik im Vergleich zu Stadionwettkämpfen?
Ich mag die Menschen in Dresden und die Stadt mit ihrem dankbaren und fairen Publikum. Das Schöne an solchen Wettkämpfen ist, dass die Zuschauer nah dran sind und der Fokus wirklich auf zwei Disziplinen beschränkt ist. Wer da kommt, der hat Interesse für Stabhochsprung und Hochsprung. Als Athlet lässt man sich auch leichter mitreißen und kann die Stimmung gut aufnehmen.

Wie sieht deine weitere sportliche Planung aus, nachdem du hoffentlich beim Springermeeting ganz oben auf dem Treppchen gelandet bist?
Über das Springermeeting, was für mich Saisoneinstand 2013 sein wird, geht‘s weiter durch die Hallensaison mit einer am Ende hoffentlich guten Höhe und Hallenbestleistung. Danach kommt die Hallen-EM in Göteborg und nach einem kurzen und knackigem Aufbau geht‘s in den Sommer Richtung Moskau.

Eine abschließende Frage: Wie verbringst du abseits von Training und Wettkampf deine Freizeit? Was macht dich da glücklich?
Momentan verbringe ich meine Freizeit im Auto durch Mecklenburg-Vorpommern oder mit einem Blick in den Hefter. Ich strebe mein Ausbildungsende bei der Landespolizei an und bin im Moment in den Prüfungen. Ansonsten treffe ich mich aber mit Familie und Freunden und mache die diversen Weihnachtsmärkte Deutschlands unsicher. Oder einfach mal ganz entspannt bei einem lockeren Fußballspiel und einem Fernsehmärchen auf der Couch!

Fotos: Andor Schlegel, Norbert Windecker

13. Dezember 2012

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