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Interview: Lena Schöneborn

Lena Schöneborn

Sie gehört zur Weltspitze in ihrer Sportart. Doch die ist für die Allgemeinheit weitestgehend unbekannt, obwohl Moderner Fünfkampf bereits seit 1912 olympisch betrieben wird. Was genau dahinter steckt, erfahrt ihr im Interview mit der Olympiasiegerin von 2008.

Gerade eben bist du von der EM im ungarischen Székesfehérvár mit zwei Goldmedaillen zurückgekommen. Ist das für eine erfolgsverwöhnte Frau wie dich nicht langsam „business as usual“ oder immer noch Nervenkitzel und Begeisterung?
Natürlich sind Europameisterschaften für mich immer noch etwas Besonderes. Umso schöner ist es, dort dann auch einen guten Wettkampf zu bestreiten. Ich bin vor dem Start immer noch aufgeregt, habe keinen Hunger. Aber das ist für mich ein gutes Zeichen, denn dann kann ich besser über mich hinauswachsen. Und wenn es dann sogar die Goldmedaille wird, ist es ein sehr bewegender Moment, wenn die Deutsche Flagge ganz oben weht und die Nationalhymne gespielt wird. Auf der anderen Seite bin ich sicherlich in vielen Aspekten routinierter. Zum Beispiel war ich sehr lange besonders nervös vor dem Reiten. Das hat sich mittlerweile normalisiert.

Moderner Fünfkampf klingt eher nach Leichtathletik als an die Kombination aus Pistolenschießen, Degenfechten, Schwimmen, Springreiten und Crosslauf, die wiederum fast schon etwas Militärisches hat. Kannst du uns kurz etwas über die Geschichte deiner Sportart erzählen?
Den Grundstein für diese Sportart legte Baron Pierre de Coubertin, um einen Übergang von den Spielen der Antike zu den neuen Olympischen Spielen zu schaffen. Die "neue" Sportart sollte übergreifend wirken, über die Schichten der Gesellschaft hinaus. Somit wurden an den Athleten hohe Anforderungen gestellt, indem er die Disziplinen Schwimmen und Laufen aus der breiten Gesellschaftsschicht mit Fechten, Schießen und Reiten aus der Oberschicht kombinieren musste. Durch diese Kombination wurde durch Coubertin förmlich der perfekte Athlet geschaffen, denn ein Fünfkämpfer musste sich durch Präzision im Schießen, Schnelligkeit im Fechten, Kraft im Schwimmen, Sensibilität beim Reiten und Ausdauer beim abschließenden Laufen behaupten. Premiere hatte der Moderne Fünfkampf bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm für die männlichen Athleten, für Frauen ist die Sportart erst seit dem Jahre 2000 olympisch. Viel ergreifender aber ist die passende militärische Geschichte zum Modernen Fünfkampf, denn der Sport wurde bis zum 2. Weltkrieg ausschließlich von Athleten des Militärs und der Polizei betrieben: Ein Kurier soll zu Kriegszeiten eine Nachricht überbringen. Er beginnt seinen Weg hoch zu Ross, verliert dieses jedoch als er auf feindliche Truppen stößt und muss sich dort mit Degen und Pistole freikämpfen. Auf seinem weiteren Weg stößt er an einen reißenden Fluss, welchen er ebenfalls überqueren muss. Das letzte Stück legt der Kurier zu Fuß zurück, bis er schließlich erfolgreich seine Nachricht überbringen kann.

Wie würdest du denn das Image deiner Sportart bezeichnen?
Ich habe den Sport schnell lieben gelernt und möchte ihn mit all seinen Facetten nicht mehr missen. Die Vielseitigkeit der Zusammensetzung von so unterschiedlichen einzelnen Sportarten fordert nicht nur Körper und Geist, sondern lässt auch keinerlei Langeweile oder Monotonie im Training aufkommen. Die Zeit, die anderen für eine einzige Disziplin zur Verfügung steht, kann ich auf fünf Verschiedene aufteilen! Darüber hinaus liebe ich den Nervenkitzel, der mich den ganzen Wettkampftag auf Spannung hält. Es gibt kaum einen aufregenderen Moment, als den der Verlosung beim Reiten. Erst, wenn ich auf das Pferd aufgestiegen bin, kann ich erahnen, was mich im folgenden Parcours erwartet. Auch beim anschließenden Laufen und Schießen bleibt es bis zum Schluss spannend. Noch beim letzten Schießen kann sich alles ändern. Über die Leidenschaft zum Sport selbst hinaus, herrscht unter den Fünfkämpfern auch international eine sehr freundliche, fast familiäre Atmosphäre, durch die schnell Freundschaften über Kontinente hinweg entstehen. So öffnete mir der Moderne Fünfkampf, durch Wettkämpfe und Trainingslager auf der ganzen Welt, auch die Möglichkeit, Eindrücke der jeweiligen Städte, Menschen und Kulturen zu sammeln. Einmal begonnen, hat mich dieser faszinierende Sport in seinen Bann gezogen, von dem ich vermutlich nie wieder ganz los komme…

Wie kommt man zum Modernen Fünfkampf?
Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die meisten beginnen mit einer der fünf Sportarten und kommen dann im Alter von ca. 12 Jahren zu uns. Bei mir war es so: Nachdem ich viele verschiedene Sportarten wie Turnen, Tennis oder Leichtathletik ausprobiert hatte, gelangte ich mit zehn Jahren zum Schwimmverein der SpVgg Lülsdorf-Ranzel. Für mehr Trainingsmöglichkeiten wechselte ich 1999 mit der Wettkampfmannschaft des Vereins und unserem Trainer Torsten Fischer zum SV Hellas Siegburg. Zusätzlich begann ich Trainingseinheiten im SSF Bonn zu absolvieren. Dort stellten sich im Jahr 2000 erste Kontakte zu dem ansässigen Fünfkampftrainer Kersten Palmer her. Nachdem ich anfangs nur an den Schwimmeinheiten teilnahm, stieg ich nach und nach auch in die Disziplinen Laufen und Schießen ein. Es folgten Lektionen im Fechten und im Jahr darauf auch erste Reiterfahrungen. Für einige Zeit behielt ich meinen Schwerpunkt noch beim Schwimmen, bis ich mich letztendlich voll und ganz dem Modernen Fünfkampf widmete. Kann man diesen Sport überhaupt in einem Verein trainieren oder musst du dich in fünf verschiedenen Vereinen anmelden? An den großen Standorten Berlin, Potsdam, München und Bonn ist alles in einem Verein möglich. Bei den Wasserfreunden Spandau oder den SSF Bonn gibt es dafür beispielsweise eine extra Abteilung. Darüber hinaus habe ich mich persönlich aber noch in einem Reitverein und einem Schießverein angemeldet, um dort von den Profis zu lernen und Einzelwettkämpfe mitmachen zu können.

Fünf verschiedene Sportarten zu betreiben und dafür die Ausrüstung zu erwerben, ist sicherlich nicht ganz billig. Ist Moderner Fünfkampf ein elitärer Sport?
In den ersten Jahren meiner sportlichen Karriere bestanden meine Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke nur aus Fünfkampfmaterialien. Aber einiges kann man immer von den älteren Sportlern gebraucht erwerben. Ganz zu Beginn aber helfen einem die Vereine mit Leihgaben aus. Es wäre sonst wirklich ärgerlich, wenn sich ein junger Sportler schon komplett ausrüsten müsste und dann nach drei Monaten beschließt, er hat keine Lust mehr.

Wie schaffst du es überhaupt, in fünf verschiedenen Disziplinen ein hohes Niveau zu erreichen?
Wichtig für mich ist es, im Laufen über Dauerläufe mit Wechseltempo für ausreichend Ausdauer und über Bahnprogramme für die nötige Schnelligkeit zu sorgen. Das mache ich sechs Mal pro Woche. Neben fünf Mal Schwimmen, zwei Mal Reiten und vier Mal Schießen kommt zwei Mal ein Fechtpool mit verschiedenen Trainingspartnern sowie zweimal Fechtlektion mit dem Trainer alleine hinzu. Darüber hinaus dürfen Dehnung, leichtes Krafttraining und Stabilitätsübungen nicht fehlen, um Verletzungen vorzubeugen. Bei den verschiedenen Disziplinen kommt es außerdem auf die Abstimmung an: Direkt nach einem harten Schwimmtraining macht ein intensiver Lauf wenig Sinn. Mit der nötigen Portion Talent, Spaß und Köpfchen sehen dann die Chancen ganz gut aus ;-).

Wie kannst du es überhaupt koordinieren, dass dir im Training immer das richtige Equipment, die Anlage und auch die richtigen Trainingspartner zu Verfügung stehen?
Das ist nicht immer ganz einfach. Mir steht dafür ein Trainerstab zur Verfügung, der mich intensiv unterstützt. Außerdem habe ich beim Training in Berlin sehr gute Trainingsstätten, die alle sehr nahe bei einander liegen. Somit spare ich jede Menge Zeit, die sonst bei Fahrtwegen benötigt würde. Neben meiner Trainingsgruppe in Berlin trainiere ich das Fechten außerdem in Potsdam, denn gerade in dieser Disziplin bin ich auf viele Trainingspartner angewiesen.

Welche Disziplinen sind deine Stärke, welche eher die Schwäche?
Das Fechten ist eine Disziplin, mit der ich im Wettkampf oft gut punkten kann und die meistens ausschlaggebend für die Gesamtwertung ist. Auch das Combined mit Laufen und Schießen kann ich im internationalen Vergleich als Stärke bezeichnen. Dies ist ebenfalls wichtig für eine gute Gesamtplatzierung. Im Schwimmen bringe ich international nur durchschnittliche Leistungen.

Was zeichnet dich generell im Training und Wettkampf aus?
Ich denke, dass es mir hilft, wenn ich im Training auf die Details in jeder einzelnen Disziplin achte. Im Wettkampf orientiere ich mich ebenfalls an der Umsetzung jeder Disziplin und schaue erst am Ende, was dabei dann herausgekommen ist.

Wie stark sind deine Leistungen im Vergleich zu einer Sportlerin, die sich nur auf eine Disziplin konzentriert?
Eine klare Quantifizierung kann ich dazu gar nicht machen. Eindeutig ist jedoch, dass es zwischen der Deutschen Spitze im reinen Schwimmen und mir die größte Differenz gibt. Bei den technischen Disziplinen, Fechten und Schießen könnte ich am ehesten mithalten. Das Reiten hingegen ist nicht vergleichbar, da ich gar kein eigenes Pferd habe. Für eine kleine Schleife bei unserem Hausturnier hat es mit einem unserer Trainingspferde aber schon ein Mal gereicht ;-).

Du bist eine der stärksten Vertreterinnen deiner Sportart? Wie stark sind die Deutschen generell im Modernen Fünfkampf im internationalen Vergleich?
Wir hatten in den letzten Jahren starke Teams bei den Frauen und Männern, die sich mit Edelmetall bei Welt- und Europameisterschaften schmücken durften. Die Frauen sind aktuell noch ein bisschen besser, wie wir bei der EM 2014 in der Staffel und in der Mannschaftswertung mit Silber und Gold belegen konnten.

Wie wichtig ist dir die öffentliche Anerkennung deines Sports?
Sehr wichtig. Gerade die Medienpräsenz ist maßgeblich für die Sponsorenakquise. Außerdem bedeutet es eine gewisse Wertschätzung dem Aufwand gegenüber, den wir Athleten für den Sport betreiben.

Warst du schon jemals geneigt, die Sportart zu wechseln? Bei deinem Talent und Ehrgeiz wärst du sicherlich auch woanders sehr erfolgreich gewesen.
Mittlerweile kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, nur eine Sportart zu trainieren. Ich habe die Vielseitigkeit des Modernen Fünfkampfes sehr schätzen und lieben gelernt.

Bist du eher der Typ, der seine Karriere beenden würde, wenn er alles erreicht hat oder wenn er die gesteckten Ziele nicht mehr erreichen würde?
Wäre ich dieser Typ, hätte ich vielleicht nach dem Olympiasieg in Peking 2008 aufhören müssen. Es ist nur eine Frage dessen, was man sich als Ziel setzt. Wenn ich aber tatsächlich nachhaltig meine persönlich gesteckten Ziele nicht mehr erreichen sollte, werde ich mir bestimmt außersportlich Karriereziele setzen und mich diesen widmen.

Also werden wir dich mit großer Wahrscheinlichkeit auch nächstes Jahr bei EM und WM und 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio sehen?
Das ist mein Ziel.

Was würdest du unseren Leserinnen und Lesern, die sich für den Modernen Fünfkampf interessieren, abschließend mit auf den Weg geben?
Alle Informationen zu den Einstiegsmöglichkeiten für Aktive, die verschiedenen Landesverbände, etc. gibt es online auf der Website unseres nationalen Verbandes. Ein besonderes Highlight: Ende Juni 2015 werden die Weltmeisterschaften im Modernen Fünfkampf in Berlin stattfinden. Wer Lust und Zeit hat, ist herzlich eingeladen, im Olympiapark vorbeizukommen. Über Details werde ich auf meiner Homepage rechtzeitig informieren. Wir freuen uns über jeden, der zum Anfeuern und Mitfiebern dabei ist!

Fotos: Cellagon

08. Juli 2014

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