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Interview: Danny MacAskill

Danny MacAskill

Danny MacAskill ist wahrscheinlich einer bekanntesten Radprofis der Welt und definitiv der spektakulärste Trial-Fahrer, den es je gegeben hat. 2009 wurde er mit seinem Video »Inspired Bicycles«, welches innerhalb von 40 Stunden mehr als 350.000 mal bei Youtube aufgerufen wurde, quasi über Nacht zum Star. Die Stunts des gebürtigen Schotten überschreiten jedes Mal aufs Neue die Grenze dessen, was auf einem Bike machbar ist. Im Interview erzählt uns der heute 31-Jährige, wie er als hyperaktives Kind erstmals mit dem Bike in Berührung kam, welche Vorbilder seinen Stil maßgeblich beeinflussten, wie er sich auf die härtesten Sprünge vorbereitet und was das Geheimnis seiner atemberaubenden Videoproduktionen ist.

Du bist in dem kleinen Ort Dunvegan auf der Isle of Skye aufgewachsen. Wie bist du mit Trial in Berührung gekommen?

Ich bin schon sehr früh mit dem Rad zu Schule gefahren und habe mit meinen Kumpels probiert, was man mit einem Bike alles anstellen kann. Das Rad habe ich schon von Kindesbeinen an geliebt. Für den älteren Bruder eines Kumpels, der mit seinen Freunden mit dem Mountainbike das Dorf unsicher gemacht hat, war ich allerdings nicht mehr als ein nerviger Junge, der ihnen dauernd gefolgt ist und versucht hat, alles nachzumachen, was die Großen so anstellen. Da war ich vielleicht acht oder neun Jahre alt. Später habe ich begonnen, regelmäßig die Bike-Zeitschrift »Mountain Biking UK« zu lesen und die hatten immer auch ein wenig die Trialszene rund um Martyn Ashton und Martin Hawyes im Blick. Deren Einfluss habe ich es zu verdanken, dass ich mit dem Trial begonnen habe.

Wie sind deine Eltern mit deiner grenzenlosen Energie und der Missachtung möglicher Gefahren umgegangen?

Meine Eltern haben mir glücklicherweise sehr viel Freiheit gelassen. Darüber habe ich auch in meinem Buch geschrieben. Ich habe mit meinen Freunden ständig verrückte Sachen gebaut, wir sind auf Bäume und Dächer geklettert und natürlich war da immer auch das Rad. Manchmal habe ich ihre Geduld aber auch überstrapaziert. Sicherlich waren sie alles andere als erfreut, als ich von der Polizei mehrmals heim »begleitet« werden musste, weil ich meine Tricks an einer Wand in der Nähe eines Einkaufszentrums probiert habe. Ich vermute, für den zuständigen Polizisten war das mehr eine persönliche Fehde, denn im Grunde genommen habe ich niemanden gestört und nichts kaputt gemacht.

Hattest du Vorbilder, die dich maßgeblich inspiriert haben?

Auf alle Fälle! Die hat jeder, der sich in jungen Jahren für einen Sport oder ein Hobby begeistert. Auch ich hatte meine Helden. Wie erwähnt, waren es Fahrer wie Martyn Ashton und Martin Hawyes, die mich schon sehr früh begeistert haben. Ryan Leech wiederum animierte mich dazu, mehr Balanceakte in meine Tricks einzubauen. Zusammen mit Hans Rey und Steve Peat zu fahren, war ebenfalls etwas, was mir einen ordentlichen Schub gegeben hat. Hans Reys Einfluss hat meinen Stil sehr stark beeinflusst. Er war einer der Pioniere des Sports. Er hat Großes vollbracht und ist ein wertvoller Mentor, auch abseits des Sports.

Als Wettkämpfer warst du nie groß aktiv. Warum?

Ich bin in Skye aufgewachsen, was sehr abgelegen von der damaligen Trialszene in Großbritannien war. Als ich jünger war, habe ich an ein paar kleineren, lokalen Wettkämpfen teilgenommen, aber das war´s dann auch schon. Trial bedeutete für mich schon immer Freiheit und Formlosigkeit. Alleine oder mit Freunden, ohne Regeln und festgelegtem Rahmen. An dieser Einstellung hat sich bis heute nichts verändert.

Bei manchen deiner Stunts kann man sich gar nicht vorstellen, wie das Rad sowas überhaupt aushält. Wie viele Bikes hast du schon zerlegt?

Du würdest dich wundern, was die Räder heutzutage aushalten. Aber klar, das ewige Leben haben sie nicht, ich belaste sie schließlich fast täglich sehr hart.

2009 bist du durch den Videoclip »Inspired Bicycles« quasi über Nacht berühmt geworden. Wie hast du das damals wahrgenommen?

Ich konnte es am Anfang nur schwer realisieren. Mein Mitbewohner Dave Sowerby und ich hatten das Video in erster Linie aus Spaß gedreht. Ich war hauptsächlich glücklich, dass mir alle Tricks und Stunts, die ich in Edinburgh machen wollte, gelungen sind. Ich hätte nie gedacht, dass mich der Clip dorthin führen würde, wo ich heute bin.

Was haben die plötzliche Bekanntheit und all das Einhergehende bei dir bewirkt?

Ich bin in erster Linie glücklich, mit dem Rad meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Ich kann nun entscheiden, wo ich mich einbringen möchte und was ich lieber lasse. Aus dem Rampenlicht versuche ich mich möglichst rauszuhalten und lasse lieber meine Videos für sich sprechen.

»Inspired« hat in bahnbrechender Weise gezeigt, was alles auf einem Rad machbar ist. Warst du damals schon der Zeit voraus?

Das kann ich nicht beurteilen. Mein Kumpel kam damals mit der Idee, einige meiner Tricks in Edinburgh zu filmen und daraus einen spektakulären Clip zu schneiden. Mehr wollten wir nicht. Zur der Zeit war es schwer, einen Maßstab zu finden, inwieweit man wirklich etwas Neues geschaffen hatte. Das Internet war noch ziemlich langsam und Social Media noch in den Kinderschuhen. Am Ende wäre es mir aber auch nicht wichtig gewesen, mich zu vergleichen. Ich wollte tun, was mir Spaß macht. Ich hatte nie im Sinn, ein professioneller Fahrer zu werden.

Wann hast du erstmals realisiert, dass du vielleicht vom Trailfahren leben kannst?

Ehrlich gesagt, kann ich mich daran nicht genau erinnern, da dies für mich nicht so wichtig war. Ich denke mal, es war nicht lange nach »Inspired Bicycles«. Ab da ging alles sehr schnell. Kurzer Zeit später habe ich schon meinen ersten fremdfinanzierten Clip namens »Way Back Home« drehen dürfen.

2010 kam der Sponsor Red Bull mit ins Boot. Warst du ab da in Zugzwang, schnell erneut etwas Spektakuläres abliefern zu müssen oder wurden dir bereits fertige Pläne vorgelegt?

Nein, die Ideen für meine Videos kommen von mir. Ich denke ständig über neue Locations, Tricks und Stories nach. Ich habe das Glück, mit den richtigen Partnern zu arbeiten, die meine Träume in die Realität bringen können. Wenn ich eine Idee habe, ist meist auch schon ein Konzept da und ich habe manchmal auch schon den passenden Soundtrack parat. Mein Team hilft mir dann dabei, daraus ein Drehbuch und einen Ablaufplan zu generieren.

Was ist deine Erfolgsformel?

Aufs Rad bezogen: Üben, üben und nochmals üben. Ich habe mehr als zwei Jahrzehnte auf dem Bike verbracht, um dort zu stehen, wo ich heute bin. Ich trainiere jedoch nicht im herkömmlichen Sinne. Ich versuche nur, so viel wie möglich zu fahren. In Bezug auf meine Videos, versuche ich immer, mir Szenen einfallen zu lassen, mit denen sich jeder identifizieren kann. In »Wee Day Out«, meinem zuletzt veröffentlichten Clip, gibt es eine Szene, in der ich durch einen tiefen Tümpel fahre. Als Kinder haben wir doch alle oft vor einer Pfütze gestanden und wollten hineinspringen, ohne zu wissen, wie tief sie eigentlich ist. Diese freudige Erwartung vor dem Sprung kann jeder nachvollziehen. Nur in meinem Fall verschluckt mich der Tümpel, da er wirklich ungewöhnlich tief ist! In meinen Augen sind das Konzept und die Story der Schlüssel zum Erfolg jedes Videos. Aber auch die Musik spielt eine wichtige Rolle. Und natürlich der »Banger«, also der spektakulärste Stunt in jedem Video.

Was ist die Botschaft hinter deiner Arbeit?

Ich möchte meine Ideen zum Ausdruck bringen und den Zuschauern die Welt aus einer anderen Perspektive zeigen.

Wie findest du die passende Location für deine Projekte?

Jedes Projekt führt mich auf die Suche nach einen neuen Ort. Ich halte Augen und Ohren immer offen und betrachte mir die Umgebung in Hinblick auf mögliche Tricks, die dort möglich sind. Ich liebe es, an einzigartigen Orten zu drehen. Zum Beispiel 2014 in »Epecuen« in Argentien. Diese Stadt wurde von einer Überschwemmung zerstört, verlassen und vergessen. Jetzt ist es eine surreal wirkende Geisterstadt. Ich war mir jedoch bewusst, dass hinter der spektakulären Kulisse eine Tragödie und das Schicksal vieler Menschen, oftmals Familien liegt. Dies wollte ich respektieren und war daher sehr froh darüber, dass ich den Einheimischen Pablo Novak kennenlernte, der hier aufwuchs und immer noch mit seinem alten Fahrrad durch die verlassene Stadt fährt. Pablo war sehr neugierig und interessiert, an dem was wir tun. Er führte uns durch die Ruinenstadt und freute sich darüber, dass wir ihn und das Schicksal von Epecuen in unser Filmprojekt integrierten.

Wie gehst du bei deinen Stunts mit dem Thema Angst um?

Angst ist auf die eine oder andere Weise immer präsent. Es ist nicht die Angst vor Verletzungen, eher die Angst, den Trick unsauber auszuführen oder zu stürzen und somit wieder von vorne anfangen zu müssen. Ich höre daher gerne Musik, die ich kenne und die mir gefällt. Wenn dann z.B. der Chorus einsetzt, ist das für mich wie ein Signal, welches mir sagt »los geht’s«. Trotzdem ist es normal, dass ich ein paar Versuche zum Warmmachen brauche, bevor ich wirklich die Aktion durchziehe.

Ist es frustrierend, manche Passagen endlos wiederholen zu müssen?

Mich frustrieren weniger die Fehlversuche als mein Zaudern vor einer schwierigen Passage. Musik dient mir dabei nicht nur als Signal, sondern hilft mir auch dabei, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Trotzdem braucht es Geduld. In »Wee Day Out« gab es den Sprung auf einen rollenden Heuballen, für den ich rund 100 Versuche gebraucht habe. Auch das Balancieren auf dem schmalen Zaun in »Inspired Bicycles« war eine endlose Angelegenheit, die sich Tage hinzog. Für den gedrehten Salto in dem Video »Imaginate« habe ich vier Tage gebraucht, um meinen Kopf dafür frei zu bekommen.

Was waren deine größten Herausforderungen?

Jeder Trick ist eine Herausforderung. Der erste Salto vor Jahren war für mich genauso schwierig wie die weitaus komplizierteren Tricks, die ich jetzt mache. Mit der Schwierigkeit wächst auch meine Erfahrung bzw. mit der Erfahrung wächst auch der Schwierigkeitsgrad.

Gibt es Tricks, die vor dir keiner gemacht hat?

Wir alle wollen einzigartig in dem sein, was wir tun. Es macht keinen Sinn, Tricks zu absolvieren, die in der Form schon gemacht wurden. In meinem Fall herausragend war der finale Stunt im Video »Cascadia«. Hier habe ich einen Vorwärtssalto von einer Rampe gemacht, von der es die Klippen hinunter 20 Meter ins Meer ging.

Normalerweise fährst du ein Trial-Bike. Im Video »The Ridge« sieht man dich jedoch auf einem Mountrainbike und in einem anderen Video auf einem Rennrad. Wie stellst du dich auf die unterschiedlichen Radtypen ein?

Es ist jedes Mal eine Herausforderung, das Rad zu wechseln. Zum Glück bin ich früher viel auf größeren Trialrädern und Mountainbikes gefahren. Im Clip »Wee Day Out« bin ich komplett mit einem vollgefederten »Santa Cruz 5010« durch die schottische Hügellandschaft gerast. Die Anpassung dauerte eine Weile, besonders aufgrund der Federung dieses Rades. Ein Rennrad ist nochmal eine andere Geschichte. Es war damals Martyn Ashton’s Idee, dass ich zur Abwechslung auf dem Rennrad das Video zu Ende bringe, welches er vor seinem folgenschweren Unfall begonnen hatte. Klar sagte ich da zu und fühlte mich geehrt. Trotzdem hatte ich meine Zweifel, ob sich mein Fahrstil auf das Rennrad übertragen lässt. Rahmen und Reifen sind für Geschwindigkeit und nicht für Sprünge gemacht. Zur Belustigung aller Beteiligten musste ich mir dafür auch die Beine rasieren, was mit der schwierigste Part war. Mit dem Rad bin ich nach ein paar Versuchen klargekommen, aber ich werde nicht so bald wieder auf einem Rennrad zu sehen sein.

Leider gibt es Fahrer wie den erwähnten Martyn Ashton und deinen Manager Tarek Rasouli, die durch schwere Stürze mit dem Rad an den Rollstuhl gefesselt sind. Wie verarbeitest du das?

Es ist immer sehr, sehr traurig, wenn ein Sportler oder Freund einen lebensveränderten Unfall, wie hier eine Querschnittslähmung, erleidet. Die Kenntnis von Martyns Unfall war eine der härtesten Nachrichten, die ich jemals verdauen musste. Es gab mir zumindest etwas Hoffnung, dass ich wusste, dass Tarek Rasouli Ähnliches durchgemacht hat und wie er damit umgeht. Tarek hat eine unglaublich positive Lebenseinstellung und genießt weitaus mehr Lebensqualität als die meisten Menschen, die ich kenne. Mir selbst ist bewusst, dass jeder Sport, auch meiner, Risiken unterliegt. Schwere Verletzungen sind jedoch nichts, in das ich mich gedanklich vertiefe. Risiken muss man abschätzen und entsprechend in sein Handeln einkalkulieren. Am Ende wissen wir nie, was uns erwartet.

Wie oft hast du dich schon verletzt?

Da gab es schon so einige Verletzungen in der Vergangenheit. Man darf nicht vergessen, dass ich seit mehr als 20 Jahren fahre. Verletzungen sind ein Päckchen, das man in diesem Sport tragen muss. Ich bereite mich immer sehr sorgfältig vor und lasse die Finger von Sachen, bei denen ich ein ungutes Gefühl habe. Fehler können jedoch immer passieren.

Eine Frage zum Schluss - sieht man dich vielleicht auch mal in Deutschland?

Wir sind in der Schweiz mit der »Drop and Roll«-Tour unterwegs, vielleicht ergibt sich da auch mal ein Abstecher nach Deutschland. Wäre eine coole Sache.

Video: Danny MacAskill’s "Wee Day Out"

Interview: Stefan Mothes | Fotos: GoPro, Fred Murray, Red Bull Content Pool | Video: Red Bull

06. April 2017

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