Hinter den Kulissen: Deniz Aytekin gewährt unbekannte Einblicke

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In unserer Rubrik „Hinter den Kulissen“ geben wir immer wieder spannende Einblicke in die Welt des Sports – vom Sportfotografen bis zum hiesigen Sportartikelhersteller. Erst kürzlich haben wir uns mit dem Wettkampfalltag der Schiedsrichter in den verschiedensten Sportarten beschäftigt. Dabei ist deutlich geworden, dass sich die Arbeit des Schiedsrichters von Sportart zu Sportart wesentlich unterscheidet. Das betrifft vor allem auch den Umgang mit Spielleitern. Während im Rugby oder Handball in Regel nur die Kapitäne mit den Schiris sprechen dürfen, kommt es im Fußball immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Spielern und Referee. Vor allem im Amateurbereich ist es dabei in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu vieldiskutierten Vorfällen gekommen – und trotzdem engagieren sich viele Sportbegeisterte ehrenamtlich. Doch wie läuft die Arbeit eines Fußball-Schiedsrichters eigentlich auf höchster Ebene ab? FIFA-Schiedsrichter Deniz Aytekin hat einem Kamerateam Einblick in seine Arbeit gewährt.
Keine leichte Arbeit
Der Job des Schiedsrichters ist kein Leichtes im Fußball. Auch wenn das Gespann mittlerweile aus mehreren Assistenten besteht, muss der Schiri stets aufmerksam sein und reaktionsschnell handeln. Das war schon vor 100 Jahren so, allerdings ist der moderne Fußball schneller geworden, sodass der Einsatz von technischen Hilfsmitteln nicht mehr wegzudenken ist. Trotzdem sind Fehlentscheidungen trotz Torlinientechnologie, Videobeweis und Funkübertragung nie zu 100% auszuschließen. Die ARD-Dokumentation „Karten, Pfiffe, Fette Bässe“ zeigt, wie es dann auf dem Platz hergeht. Vor allem wenn die Stimmung auf den Rängen hochkocht, wird es für die Offiziellen auf dem Rasen schwer, zu kommunizieren.
Das Team kennt sich
Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass sich das Schiedsrichtergespann kennt und aufeinander „eingespielt“ hat. Dabei bildet Aytekin zusammen mit seinen Assistenten das Team für die Spielleitung. Neben den beiden Linienrichtern steht der vierte Offizielle an der Seitenlinie und die weiteren befinden sich im Videoraum in Köln. Hier stehen alle Teilnehmer im ständigen Funkaustausch, sodass die Spielsituation permanent bewertet wird. Allerdings gilt immer noch: Foul ist, wenn der Schiri pfeift. Letztlich hat Aytekin immer noch die Entscheidungsgewalt.
Deeskalation und Moderation
Die Dokumentation gibt einen wunderbaren Einblick in die bisher unbekannte Kommunikation im Profifußball. Dabei überrascht, wie deutlich und direkt Aytekin teilweise mit den Spielern spricht. Als der Wolfsburg-Stürmer Wout Weghorst wutentbrannt auf den Schiri zustürmt, wird dieser laut: „Was willst du von mir? Geh weg hier! Kommst du noch einmal, dann kriegst du was!“ Deutliche Worte von Aytekin in Richtung des Stürmers. Man erkennt, die Emotionen kochen hoch und gepflegtere Umgangsformen werden, zumindest für den Moment, eher hinten angestellt. Allerdings setzt Aytekin genau so auch auf Kommunikation. So erklärt er Lars Stindl ganz genau, warum er ihn nun verwarnen musste. Dass dies funktioniert, zeigt der Erfolg. Aytekin gehört zu den besten Schiedsrichtern weltweit und wurde 2019 zum Schiedsrichter des Jahres in Deutschland ausgezeichnet. Auch die Verantwortlichen in den Vereinen schätzen den Umgang mit Aytekin.
Auch nach dem Spiel wird diskutiert
Das zeigt eine Szene, die nach dem Rückrundenauftakt Schalke gegen Gladbach stattgefand. Auch für das Schirigespann handelte es sich um ein besonderes Spiel. Immerhin wurde der Rückrundenauftakt von Menschen auf der ganzen Welt verfolgt. Gladbach werden nach der starken Hinrunde mit einer Quote von 67,00 immerhin noch Außenseiterchancen auf den Titel eingeräumt, obwohl Bayern München natürlich auch den diesjährigen Favoriten darstellt. Letztlich entschieden die Schalker das Spiel mit 2:0 für sich, sodass die Gladbacher nicht viel zu diskutieren hatten. Trotzdem ließ es sich Manager Max Eberl nicht nehmen, Aytekin nach dem Spiel aufzusuchen und seine Meinung kundzutun. Dass dies allerdings äußerst respektvoll geschieht, versteht sich von selbst. Dennoch verdeutlicht diese Episode, dass der Job des Schiedsrichters nicht mit dem Schlusspfiff endet. Auch die Nachbesprechung mit den Kollegen darf natürlich nicht fehlen.
Neue DFL-Verordnung muss umgesetzt werden
In der Winterpause hat die DFL ein Richtlinien-Papier veröffentlich, in welchem die Schiedsrichter angehalten werden, bei Reklamationen, Rudelbildungen und Diskussionen härter durchzugreifen. Damit soll die Position des Schiedsrichters auf dem Feld gestärkt werden. Denn im Gegensatz zum Rugby beispielsweise, wo nur der Mannschaftskapitän mit dem Schiedsrichter reden darf, entwickeln sich im Fußball häufig wahre Menschentrauben um den Spielleiter. Aktionen wie diese sollen nun direkt mit einer gelben Karte geahndet werden. Aytekin selbst hält dies für eine gute Idee, auch wenn er sich mit seinen fast zwei Metern auch sonst gut Gehör verschaffen und durchsetzen kann.
Schiedsrichter im Profifußball – mittendrin statt nur dabei!
09. März 2020