Unterwegs

Reisebericht: Nepal

Nepal

Wieder einmal sind die Kinder die Ersten, die uns entdecken und fröhlich auf uns zugerannt kommen. Der lärmende Zug begleitet uns bis zu den Häusern des kleinen Sherpa-Hauptortes Namche Bazar, die sich schmuck weißblau bemalt an die Hänge eines kleinen Talkessels schmiegen. Zwei Tage sind wir bis hierher gewandert, nachdem wir von der Hauptstadt Kathmandu aus mit einem atemberaubenden Panoramaflug den kleinen Gebirgsflugplatz Lukla erreicht haben. Das 2800m hoch gelegene Lukla ist der Ausgangspunkt der meisten Trekkingtouren in der Mount-Everest-Region. Von hier aus folgt unsere Route dem tief eingeschnittenen Flusstal des Dudh Kosi, ehe ein steiler Hang hinauf nach Namche Bazar führt. Malerische Dörfer wechseln mit idyllischen Waldwegen, unterbrochen von abenteuerlichen Flussüberquerungen auf schmalen Hängebrücken. Kurz vor Namche Bazar tauchen die ersten schneebedeckten Berge auf. Fast unwirklich weiß unter dem strahlend blauen Himmel überragen die Eisriesen des Himalaya die fruchtbaren Täler des Khumbu.

Namche Bazar, der Hauptort des Khumbu-Gebietes, ist das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Sherpa-Volkes. Sherpa bedeutet „Bewohner des Ostens“ und bezeichnet die Herkunft des stolzen Volkes, das vor vielen hundert Jahren von Tibet her die Besiedlung der Himalaya-Täler begann. In den Dörfern des Khumbu scheint die Zeit vielerorts stehen geblieben zu sein. Die Bewirtschaftung der winzigen Felder, Yakzucht und Handwerkskunst haben sich seit Jahrhunderten kaum verändert. Zwar gibt es im Hauptort Namche Bazar mittlerweile sogar Internet und eine touristische Infrastruktur, doch das Leben der Einheimischen verändert sich nur langsam. Jeden Samstag beginnt bereits auf dem großen Wochenmarkt im Morgengrauen das Handeln und Feilschen, zu dem die Bergbauern und Yakhirten von nah und fern geeilt kommen. Dem Touristen bieten sich ein farbenprächtiges Schauspiel und eine willkommene Abwechslung am hier meist obligatorischen Ruhetag. Apropos Ruhetag: Nur in alle Ruhe und in langsamen Tempo sollte man eine Trekkingtour wie die zum Mount-Everest-Basislager angehen. Um den Körper an Höhen von vier- oder gar fünftausend Meter zu gewöhnen, muss man schon zwei Wochen zuzüglich Rückweg einplanen. Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindelgefühl bestrafen allzu leicht die Missachtung einfacher Akklimatisationsregeln und machen dem Hastigen das einmalige Himalaya-Erlebnis zur Farce.

Nach dem Ruhetag in Namche Bazar führt unsere Tour nun stetig aufwärts ins „Herz des Himalaya“ hinein. In angenehmer Steigung erreichen wir den nächsten Etappenort, das weltberühmte buddhistische Kloster Tengboche. Eine Besichtigung der religiösen Stätte ist ebenso lohnend wie der Blick auf die umliegenden, eisbedeckten Berge, allen voran die 6856m hohe Ama Dablam. Drei weitere landschaftlich beeindruckende Tagesetappen ohne all zu große Anstrengungen sind es bis nach Gorak Shep, wo auf 5140m die höchsten Gebäude im Khumbu stehen. Zwei gemütliche Himalaya-Lodges bieten den Wanderern Unterkunft, bevor am folgenden Tag der Höhepunkt der Trekkingtour bevorsteht. Ganz egal, ob man sich für einen Besuch des Mount Everest-Basislagers oder eine Besteigung des Aussichtsberges Kala Pattar entscheidet – bei gutem Wetter sind unvergessliche Landschaftseindrücke garantiert! Besonders der phantastische Panoramablick vom Kala Pattar belohnt die Mühen des Aufstieges und der vorangegangenen Trekkingtour.

Noch vor dem ersten Dämmerlicht brechen wir von Gorak Shep aus auf in Richtung Gipfel. Nach zwei Stunden Marsch stehen wir im Morgengrauen am höchsten Punkt des Kala Pattar, immerhin 5550m hoch und mit tollem Blick auf die umliegenden Berge. Noch ist es bitter kalt, doch als 10min später die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Mount Everest aufblitzen, sind Kälte und Anstrengung wie weggeblasen. Zum Greifen nah liegt der 8848m hohe Felsgigant und der Blick in seine vereiste Westflanke lässt einiges von den Strapazen einer Mount-Everest-Besteigung erahnen. Fotoapparate klicken und binnen Minuten ist die ganze Szenerie der umliegenden Berge in strahlenden Sonnenschein getaucht. Die Sonne wärmt schnell und schon beim Abstieg sind Mütze und Handschuhe längst wieder im Rucksack verstaut, kurzärmlige luftige Bekleidung angesagt. Der Rückweg von Gorak Shep nach Namche Bazar und weiter nach Lukla dauert noch einmal 4 bis 6 Tage, während denen wir ausreichend Gelegenheit haben, die landschaftliche Schönheit des Khumbu zu genießen und Kontakte zu den Sherpa zu knüpfen. In Lukla angekommen, feiern wir mit Yak-Steak und selbstgebranntem Rakshi des Lodge-Besitzers den erfolgreichen Abschluss unserer erlebnisreichen Trekkingtour.

Am nächsten Morgen erinnert uns ein letzter Blick auf die schneebedeckten Berge an die Erlebnisse in der ursprünglichen Bergwelt des Khumbu, bevor wir eine halbe Stunde später ins lärmende Chaos der Großstadt Kathmandu eintauchen. Das unvergleichliche Flair im Touristenviertel Thamel, unzählige Tempel und Stupas sowie die stets freundlichen und wissbegierigen Nepalesen machen den Aufenthalt in Kathmandu nicht nur zum Kontrastprogramm nach gelungener Trekkingtour, sondern bereichern das Erlebnis im kleinen Himalaya-Königreich Nepal um weitere unvergessliche Eindrücke.

Über den Autor
Markus Walter ist begeisterter Elbsandstein-Kletterer, Skitouren-Geher und Bergsteiger. Er sammelte umfangreiche Expeditionserfahrung, u.a. bei fünf 8.000er-Besteigungen, zehn 7.000er-Besteigungen und über 40 6.000er-Besteigungen. Er war an zahlreichen Erstbesteigungen im Karakorum, Himalaya und in den Anden beteiligt und unternahm hunderte Ski- und Bergtouren in den Alpen. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer der DIAMIR Erlebnisreisen GmbH, ist für die Bergwacht Sachsen als Ausbilder im Einsatz und Gründungsmitglied des Alpinclub Sachsen. Außerdem ist er leidenschaftlicher Fotograf sowie Autor von Vorträgen und Reisereportagen.

Fotos: DIAMIR Erlebnisreisen

13. April 2015

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